Güterumschlag

Weinliebhaber wehrt sich gegen «Park-Schikane» in Zürich

· Online seit 24.11.2022, 12:00 Uhr
Wo fängt rücksichtsloses Wild-Parkieren an und wo hört der zulässige Warenumschlag auf? Ein Zürcher Jurist zog bis vor Gericht, um diesen Umstand zu klären.
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Im Februar 2021 kassierte Rechtsanwalt Markus Lienert aus Zürich eine Busse in der Höhe von 120 Franken. Die Busse verhängten die Polizisten wegen Falschparkierens im Stadtzentrum, als der 56-Jährige Wein und ein Regal aus einem dort ansässigen Geschäft abholte.

Gross hinterfragt habe er die Strafe nicht, erzählt der Jurist gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Beim Obergericht habe er auch umgehend 7,50 Franken fürs Parkieren bezahlt und sei zu dem besagten Geschäft zurückgefahren, um den Rest der Ware einzuladen. Vor Ort habe er bemerkt, dass es sich nicht um ein Halte-, sondern um ein Parkverbot handle.

Polizei selber unwissend

Die beiden Polizisten, die noch immer vor Ort waren, hätten das ebenfalls nicht gewusst. Diesen Umstand beschreibt der Anwalt als «sehr ungewöhnlich». Zwar hielten die Beamten an der «Falschpark-Busse» fest, reduzierten diese aber auf 40 Franken und änderten laut dem 56-Jährigen Ort und Zeit des Vorfalls. Der Fall landet beim Bezirksgericht. Warum? Weil Lienert argumentiert, dass es sich bei dem Vorfall um einen erlaubten Warenumschlag gehandelt habe. Dieser sei nicht zu sanktionieren und somit gar keine Busse gerechtfertigt.

Die Beamten hätten, gemäss Strafbefehl, nur gesehen, wie er mit einer Kiste mit sechs Flaschen Wein den Laden verlassen hatte. Ein Fahrzeug sei dafür nicht von Nöten und daher gelte das Argument des Güterumschlags nicht, so das Stadtrichteramt. Ab wann etwas als Warenumschlag gilt, ist eigentlich festgehalten und zwar dann, «wenn Sachen, die aufgrund von Grösse, Gewicht oder Menge nur erschwert umgeschlagen werden können.» Ob es zumutbar ist, Waren im Tram zu transportieren, ist von Fall zu Fall unterschiedlich.

Behörden sollen richtig arbeiten

Für den Juristen ist klar, dass es sich in diesem Fall um «reine Schikane» handle. Auch gegenüber dem Besitzer des Weinladens, stellt Lienert im «Tages-Anzeiger» klar. Vor Gericht sagte der Beschuldigte: «Entweder die Behörden machen ihre Arbeit ordentlich oder nicht.»

Das besagte Geschäft sei mittlerweile pleite. Wohl auch, wegen genau solcher Schikanen, betonte Lienert im Gerichtssaal. Mit seiner Berufung kämpfe er auch gegen die Verdrängung der kleinen Geschäfte aus dem Stadtzentrum. Die Parkplätze gegenüber des Ladens seien nämlich oft alle besetzt gewesen, so der Jurist auf die Frage, ob er denn nicht woanders hätte halten können.

Situation ist eskaliert

Wenn der Rechtsstaat übergriffig werde, sei eine Grenze überschritten, so Lienert. Das Bezirksgericht glaubt dem 56-Jährigen und spricht ihn frei. Er habe «sehr glaubhaft» geschildert, dass er mehr als nur sechs Weinflaschen zu transportieren hatte. Die Situation sei vielleicht eskaliert, weil die Beamten nur einen Teil des Vorganges beobachtet hätten, relativiert der Richter.

Durch seinen Freispruch entgeht der Jurist der Busse und den mittlerweile auf 800 Franken gestiegenen Gerichtskosten. «Der Bürger muss sich nicht alles gefallen lassen», meint der Rechtsanwalt. Ob das Stadtrichteramt das Urteil akzeptiert, ist noch unklar. Zehn Tage Zeit bleiben dem Amt, um gegen das Urteil vorzugehen.

(roa)

veröffentlicht: 24. November 2022 12:00
aktualisiert: 24. November 2022 12:00
Quelle: ZüriToday

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