Knall und Lärm

Warum es am Sonntagabend in Zürich minutenlang geklöpft hat

21.03.2023, 23:05 Uhr
· Online seit 20.03.2023, 11:20 Uhr
Viele Zürcherinnen und Zürcher haben es gehört: Das laute Knallen am Sonntagabend über der Stadt, das an die Böller am 1. August erinnerte. Der Lärm war einem Gemeindefest zu verdanken.
Anzeige

Eine ZüriReporterin war gerade am Zähneputzen, als es draussen über Wiedikon plötzlich laut zu knallen begann. Sie dachte sich erst, ihre elektrische Zahnbürste sei kaputt, konnte den Lärm jedoch nicht zuordnen. Auch eine Twitter-Userin wollte wissen, was denn das für Knallgeräusche waren, die rund 15 Minuten lang zu hören waren. Auf Social Media wurde darüber diskutiert, aber eine Antwort konnte lange niemand liefern.

ZüriToday hat bei der Stadtpolizei nachgefragt. Es soll sich um das Frühjahrsfest der Zürcher Gemeinde Unterengstringen gehandelt haben, das vom 17. bis 19. März stattfand. Die lärmenden Geräusche waren in den Kreisen 2, 3, Schlieren und eben in auch in Wipkingen sehr gut zu hören, weil der Schlussakt des Festes am Limmatufer stattfand.

Böllerschüsse und «Mr. Gary Böb»

Traditionell besammeln sich am letzten Abend des sogenannten Mittefastens die Einwohner auf der Limmatbrücke. Punkt 20 Uhr dröhnen die ersten Böllerschüsse, die Fackeln werden an beiden Limmatufern angezündet und wenig später schwimmt das Feuerschiff unter der Brücke durch. Sobald der Holzstoss brennt, geht es dem Böögg an den Kragen.

Ein grosses Feuerwerk schliesst den letzten Abend des dreitägigen Festes ab. Zwei sechste Klassen aus Unterengstringen beschäftigten sich seit den Herbstferien mit der Planung des Mittefasten-Bööggs. Dieser wurde »Mr. Gary Böb» getauft. Es soll schon der 280. Böögg sein.

Aufmerksame Zürcherinnen und Zürcher könnten bereits am Sonntagmorgen aufgeweckt worden sein, als um 6 Uhr Böllerschüsse bei der Limmatbrücke erdröhnten. Zu dem Zeitpunkt standen die Unterengstringer bereits mitten in ihrem langen, festlichen Wochenende.

Was ist Mittefasten überhaupt?

Das Mittefasten hat laut den Veranstaltern uralte Wurzeln. Es ist einer der letzten Überreste des heidnischen Brauchs der Winteraustreibung. Die drei Kernelemente sind ein Kienbesenumzug, ein Lichterschwemmen und das Böggverbrennen. Das letztere ist aus dem Mittefastenfeuer entstanden. Heute hat es sich zu einem kompletten Frühlingsdorffest entwickelt, welches von den Unterengstringern jährlich jeweils drei Wochen vor Ostern – mitten in der Fastenzeit – gefeiert wird.

1867 verursachten die von Burschen durch das Dorf geschwungenen Kienkörbe eine Brandkatastrophe im alten Dorfteil. Seither stehen brennende Feuerfackeln an der Limmat Spalier für das Lichterschwemmen, so die ausführliche Erklärung auf der Website des Festes.

Das Feuerschiffchen, eine Holzkiste mit Kienspan, Holzwolle und gut brennenden Holzabfällen, zeigt beim Passieren von Brückenpfeiler und Flusswehr, ob es ein gutes Jahr wird. Der Brauch diente nicht nur der Beschwörung der Flussgeister, ab diesem Tag wurde auch nicht mehr bei künstlichem Licht gearbeitet.

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

veröffentlicht: 20. März 2023 11:20
aktualisiert: 21. März 2023 23:05
Quelle: ZüriToday

Anzeige
Anzeige
zueritoday@chmedia.ch