Nach und nach dominieren niedrigere Temperaturen die Tage und Nächte in der Schweiz. Was bei uns zum Kleiderwechsel führt, bedeutet in der Vogelwelt oft: Adios amigos, wir ziehen ins Warme. Gegen Ende Sommer können am Himmel vermehrt Vogelschwärme gesichtet werden. Wer sich auch schon gefragt hat, ob diese für den Südflug üben, hat zumindest teilweise recht.
Fertig Brutzeit, Zeit für den Schwarm
Die Brutzeit der Vögel startet meist im Frühling und endet bei den meisten im Juli oder August. Dass danach vermehrt Schwärme zu sehen sind, hat einen simplen Grund, wie Rolf Kunz, Präsident der Ornithologischen Gesellschaft Zürich (OGZ), erklärt: «Bei solchen Vogelschwärmen dürfte es sich um Stare handeln. Sie sind sehr gesellige Vögel, die sich ausserhalb der Brutzeit gerne zu Schwärmen versammeln.»
«Das hat mit Zugsvorbereitungen aber nichts zu tun», erklärt er weiter. Sie versammeln sich zur Nahrungssuche oder an Schlafplätzen, wo oft tausende von Vögeln dabei seien. Eigentliche Vorbereitungen für den Zug gäbe es also nicht. Manchmal würden die Vögel eine Zugsunruhe zeigen, indem sie unruhig umherfliegen, «aber das Verhalten ist ihnen angeboren». Dennoch gibt es Artgenossen, die den Südflug üben müssen.
«Kein spezielles Training»
«Es gibt tatsächlich Arten, wie zum Beispiel Kraniche und Gänse, bei denen die Jungvögel das Zugsverhalten lernen müssen», so Kunz. «Dazu braucht es allerdings kein spezielles Training», fügt der OGZ-Präsident an.
Die Jungvögel würden sich im Herbstzug den Altvögeln anschliessen und lernen so den Zugweg kennen. «Diese Vogelarten sind sehr sozial und meist in grossen Trupps unterwegs. Damit kommen die Jungvögel von selbst die nötige Ausbildung», sagt Kunz.
Aus dem Nest und auf Nimmerwiedersehen
Ganz anders sei es bei Mauerseglern: «Sie überwintern in Afrika und verlassen uns bereits Ende Juli. Wenn die Jungen flügge sind, verlassen sie ihren Brutplatz in der Abenddämmerung und sind sofort selbständig.»
Sie würden alleine fliegen oder in lockeren Verbänden ins Winterquartier. «Alles Wesentliche ist angeboren, das bedeutet aber nicht, dass sie von späteren Erfahrungen nichts mehr lernen können», so Kunz. Bei Rabenvögeln sei dieses Lernvermögen gut entwickelt.
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Die meisten Langstreckenzieher seien allein unterwegs und es gäbe somit keinen Leitvogel. «Zum Beispiel Tauben oder Stare sind in grossen, breiten Schwärmen unterwegs und ein Leitvogel ist nicht erkennbar», erklärt Kunz und fügt an: «Gänse und Kraniche fliegen in Keilformation, weil die hinten im Keil fliegenden Vögel aerodynamisch weniger Widerstand haben. Der Vogel an der Spitze leistet die Hauptarbeit und wird deshalb regelmässig abgelöst.» Somit sei er nur vorübergehend das Leittier.
Südflug wegen Klima angepasst
Das Zugverhalten der einzelnen Arten sei sehr unterschiedlich, wie Kunz betont. So überwintern in Europa brütende Arten oft in Mitteleuropa, andere ziehen ans Mittelmeer. «Viele Arten überwintern weiter südlich in verschiedenen Gebieten Afrikas und fliegen teilweise bis nach Südafrika.»
Tatsächlich sollen viele Vogelarten ihr Zugsverhalten wegen der Klimaerwärmung geändert haben, wie der OGZ-Präsident weiter erzählt. Nordische Entenarten, die früher in grossen Scharen in der Schweiz überwinterten, blieben vermehrt im Norden und seien deshalb im Winter viel weniger zu sehen.
«Vögel, die bei uns brüten und früher ans Mittelmeer gezogen sind, bleiben dafür vermehrt bei uns», stellt Kunz fest. Das könne für sie vorteilhaft sein, denn unter anderem die Jagd sei am Mittelmeer viel anstrengender.