Zürcher Städte in der Sommerhitze

Wir können viel gegen die Bruthitze tun – wenn wir denn wollen

· Online seit 15.07.2022, 08:19 Uhr
33 Grad am Tag und Tropennächte nach Sonnenuntergang: Vor allem die Zürcher Städte ächzen unter der Sommerhitze. Was lässt sich dagegen tun? Eine ganze Menge, man muss es nur wollen.

Quelle: ZüriToday / Robin Luijten / TeleZüri

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Wer in diesen Tagen durch die Strassen einer Zürcher Stadt läuft, erlebt es am eigenen Leib: Es ist richtig heiss. Die hohen Sommertemperaturen der letzten Tage werden in den grösseren Ortschaften des Kantons besonders stark wahrgenommen. Tagsüber beträgt der Temperaturunterschied zwischen den Städten und ländlichen Gebieten zwar nur bis zu 2°C, rechnet die Stadt Zürich vor. Nachts bleibt es in den städtischen Hotspots, sogenannten Hitzeinseln, allerdings bis zu 7°C wärmer als ausserhalb.

Der Grund für diesen Hitzestau liege vor allem darin, dass in den Städten ein grosser Teil der Böden versiegelt sei und so kein Gasaustausch aus dem Untergrund stattfinden könne, erklärt Mark Krieger, Professor für Pflanzenverwendung in der Landschaftsarchitektur an der Ostschweizer Fachhochschule. Hinzu komme das Fehlen von Pflanzen im Stadtgebiet. Stattdessen: viele reflektierende und Wärme speichernde Oberflächen.

Bäume sind die Superstars im Kampf gegen die Superhitze

Die Bruthitze in unseren Städten ist nicht zuletzt eine Folge des Klimawandels. Dieser sorgt für mehr aufeinanderfolgende Hitzetage und eine Verschärfung des nächtlichen Hitzeinseleffekts. Trotzdem: Machtlos sind die Städte gegen diese Problematik nicht.

Kurzfristig können Massnahmen wie das Aufstellen von Segeln oder Schirmen auf heissen Plätzen helfen. Oder eine Wolkenmaschine, wie sie seit letzter Woche auf dem Turbinenplatz für Kühlung sorgen soll. All diese Instrumente seien allerdings in der Bewirtschaftung teuer und wirkten nur gegen die Symptome.

Längerfristig muss das Ziel laut Krieger deshalb darin bestehen, mehr Vegetation in die Städte zu bringen und die dortigen Böden zu öffnen. Fassaden und Dächer lassen sich begrünen. Am wirksamsten sei allerdings das Pflanzen von Bäumen im Stadtgebiet. Eine Herausforderung für sich, denn Bäume brauchen Platz und Pflege, vor allem im urbanen Raum.

Wind vom Uetliberg bringt der Stadt Erleichterung

Ebenfalls einen gewichtigen Einfluss auf die Temperatur in der Stadt hat der Wind. Zürich hätte mit seinen bewaldeten Hügeln ringsum eigentlich ideale Voraussetzungen, damit kalte Luft aus der Höhe nachts in die Stadt sinken und die Hitze etwas mildern könnte. In der Vergangenheit seien diesem natürlichen Kaltluftstrom allerdings Gebäude in den Weg gestellt worden. Moderne Stadtplanung trage der Luftzirkulation besser Rechnung.

Von den hohen Temperaturen sind nicht nur Grossstädte betroffen. Einer der Orte, der schweizweit am stärksten unter der Hitze ächzt, ist Sion. Dessen Bevölkerung beträgt allerdings kaum ein Zehntel der Stadt Zürich. Der Hauptort des Kantons Wallis war deshalb eine der ersten Städte, die gegen Hitzeinseln vorgingen.

Stadtplanung muss Gas geben

Die Stadtplanung wird durch die Dringlichkeit des Klimawandels herausgefordert, wie Dirk Engelke vom Institut für Raumentwicklung der Ostschweizer Fachhochschule anmerkt. Auch für ihn ist klar: «Wir müssen mehr Grün in die Städte reinbringen.»

Lange Zeit habe sich die Planung unserer Städte aber mit anderen Themen beschäftigt, etwa die Attraktivität für den Autoverkehr; und die öffentlichen Räume und Strassenräume vernachlässigt. Dass nun Hitze-Entlastung und Nachhaltigkeit ganz oben auf die Agenda rückten, komme einem Paradigmenwechsel gleich.

Tun die Städte denn genug, um das Hitze-Problem zu entschärfen? «Wenn man sieht, wie deutlich der Klimawandel voranschreitet, ist es nicht genug», sagt Engelke. Allerdings sei die Städteplanung ein längerfristiger Prozess und das Thema noch relativ neu. «Wir sind auf gutem Weg. Jetzt müssen wir das Tempo beibehalten.» Immerhin: Zürich aber auch kleinere Städte wie Uster spielten bei der Lösung des Problems vorne mit.

Anreize setzen statt Verbote aussprechen

Weniger geteerte, überbaute oder zubetonierte Böden, dafür mehr Bäume, Windschneisen und grüne Dächer. Am Ende ist es die Kombination der verschiedenen Massnahmen, die gegen die hohen Temperaturen wirkt. «Keine der Massnahmen hilft alleine, wir brauchen alle, um die Hitze zu bewältigen und eine Kühlung herbeizuführen», sagt Mark Krieger.

Allerdings, merkt der Landschaftsarchitekt an, treffen diese Massnahmen auch auf Widerstände. Bäume zu pflanzen klinge zwar einfach, sei in Tat und Wahrheit aber ein schwieriges Unterfangen. Immobilienbesitzer wehrten sich oft dagegen, weil Bäume in Blickachsen auf den See oder die Berge den Wert des Grunds minderten. Das führt laut Krieger zu einem Dilemma: «Jeder will mehr Bäume, aber bloss nicht bei sich vor der Tür».

Von Verboten und regulatorischem Zwang alleine hält Mark Krieger aber nicht viel. Gut geeignet seien auch Anreize, die Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner für mehr Grün in der Stadt begeistern. Etwa, indem den Leuten kostenlos Bäume aus der Baumschule zur Verfügung gestellt oder Gebühren erlassen werden. Oder mit speziellen Aktionen, die eine emotionale Bindung zwischen Mensch und Natur schaffen können.

(osc)

veröffentlicht: 15. Juli 2022 08:19
aktualisiert: 15. Juli 2022 08:19
Quelle: ZüriToday

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