Zürcherin fragt nach

«Ich will wissen, weshalb sich so viele Frauen im Sport schämen»

08.03.2023, 17:09 Uhr
· Online seit 14.11.2022, 09:31 Uhr
Lieber alleine Sport treiben oder in einem leeren Fitness. Lieber keine Spiegel an jedem freien Fleck, weil man sich sonst beobachtet fühlt. Physiotherapeutin Delia hört in ihrem Alltag von Frauen, die Sport mit Scham verbinden. In einer Arbeit will die Zürcherin dem genauer nachgehen.
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Delia Hug ist 30 Jahre alt, arbeitet als diplomierte Physiotherapeutin und schreibt derzeit ihre Masterarbeit an der ZHAW. Bei ihrer Arbeit in einer Praxis für Physiotherapie ist Delia immer wieder mit Kommentaren von Frauen konfrontiert, die unter anderem wegen Schamgefühlen nicht Sport treiben. Kein Joggen, weil man sich schämt. Am liebsten dann trainieren, wenn das Fitness-Center leer ist. Oder nur zu Hause im geschützten Raum Online-Fitness betreiben. «Woher kommt das eigentlich?», hat sich Delia gefragt. «Warum schämen sich so viele Frauen im Sport?»

Bei Männern gibt es weniger Nichtsportler

Gleichberechtigung im Sport hat einen riesigen Schub erhalten. Wir schauen nicht mehr nur den Männern während der Fussball-EM zu, es gehen nicht mehr nur die Frauen ins Ballett und die Männer spielen Basketball. Die Wahrnehmung in der Gesellschaft hat sich verändert. Auch im Sportverhalten hat sich einiges getan.

Laut einer Studie des Bundesamts für Sport sind 51 Prozent der Frauen in der Schweiz mehrmals pro Woche insgesamt mindestens drei Stunden sportlich aktiv. Bei den Männern sind es mit 52 Prozent nur unwesentlich mehr. Unter den Männern gibt es etwas weniger Nichtsportler (15 Prozent) als bei den Frauen (17 Prozent), Letztere zählen mehr Gelegenheitssportler.

Es gibt also mehr Frauen, die nur gelegentlich Sport treiben und immer noch fast einen Fünftel, die sich gar nicht sportlich betätigen. Könnte das mit den Schamgefühlen zusammenhängen, von denen Delia berichtet? Das wurde in der Studie des BASPO nicht untersucht. Das wurde bisher kaum irgendwo auf der Welt erforscht.

Aber Delia will es wissen. «Für mich als Physiotherapeutin ist das Thema Hemmungen und Wohlbefinden im Sport relevant, weil ich Bewegung fördere. Das ist schwierig, wenn sich die Frauen dabei schämen.» Deshalb will Delia in ihrer Masterarbeit vor allem einer Frage nachgehen: Wie könnte man Frauen helfen, dass sie sich wohler fühlen beim Sport und auch mehr Sport treiben?

«Es ist ein wichtiges Thema»

Abschliessen wird die 30-jährige Zürcherin ihre Arbeit im Juli 2023. Ausgewertet hat sie die Resultate noch nicht, aber die Umfrage zu ihrer Arbeit wird sie bald schliessen. Denn schon 400 Frauen haben daran teilgenommen. «Mein erster Eindruck ist, dass die Antworten sehr unterschiedlich ausfallen. Es gibt viele Frauen, die gar kein Problem haben und solche, die benennen können, was sie am Sporttreiben hemmt», erzählt Delia.

Die Zürcherin will zudem wissen, welche Faktoren das Alter, das Treiben einer Teamsportart oder die Einrichtung auf die Schamgefühle von Frauen beim Sport haben. «Ich will wissen, ob Frauen, die einen Teamsport betreiben, weniger Erfahrungen mit Scham beim Sport gemacht haben und ob sie ab oder vor einem gewissen Alter mehr Probleme haben.» Ergebnisse zur Einrichtung liessen sich einfach umsetzen. «Frauen haben gesagt, dass sie nicht gerne ins Training gehen, wenn es überall Spiegel hat. Man könnte den Fitnessanbietern als Tipp weitergeben, dass sie verschiebbare Spiegel verwenden.»

Flyer, Video und Aufklärungsarbeit

Schamgefühle, Hemmungen, Unwohlsein – Delia glaubt nicht, dass nur dies Frauen daran hindert, Sport zu treiben. Aber Rückmeldungen per E-Mail bestätigen, dass das Thema bei vielen Frauen eine positive Reaktion auslöst. «Leute haben mir geschrieben, dass sie das ein wichtiges und spannendes Thema finden», so die Physiotherapeutin.

Wenn Delias Resultate zeigen, dass Hemmungen und Schamgefühle wirklich ein relevantes Hinderungsthema für Sport bei Frauen sind, dann will die Masterstudentin für dieses Thema sensibilisieren. «Ich würde gerne einen Flyer oder ein Video erstellen, um über die Problematik aufzuklären», sagt Delia, «und so möchte ich sehr gerne aufzeigen, welches die wichtigsten Faktoren sind und auf was man achten soll, wenn man mit Frauen im Sport arbeitet.» Wer jetzt gerne den Flyer in der Hand hätte oder das Video ansehen möchte, muss bis nächsten Sommer warten. Dann beendet Delia ihre Masterarbeit.

Hast du dich auch schon beim Sport geschämt? Schreib uns deine Erfahrung in die Kommentare!

veröffentlicht: 14. November 2022 09:31
aktualisiert: 8. März 2023 17:09
Quelle: ZüriToday

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