Säugling abgegeben

So funktioniert das Babyfenster im Spital Zollikerberg

Laura Dünser, 25. Oktober 2022, 18:55 Uhr
Beim Babyfenster am Spital Zollikerberg wurde am Samstag ein Neugeborenes abgegeben. Es ist das zweite Mal, dass das Fenster genutzt wurde. Aber was passiert danach? Wir klären die wichtigsten Fragen.
Anzeige

Was passiert mit dem abgegebenen Neugeborenen?

Vorerst wurde das Mädchen für medizinische Abklärungen im Spital behalten. Als Nächstes werde für das Neugeborene eine gesetzliche Vertretung errichtet – anschliessend wolle man die Unterbringung des Mädchens organisieren, hiess es in einer Mitteilung der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde KESB am Montag. 

Mittlerweile hat das Mädchen einen Namen erhalten. Der Gemeinderat habe bereits bei der Eröffnung des Babyfensters 2014 eine Liste erstellt mit möglichen Vor- und Nachnamen für abgegebene Neugeborene, sagt der Zolliker-Gemeindepräsident Sascha Ullmann. Den Namen für das Mädchen ausgesucht habe er nun persönlich.

Obwohl das Babyfenster anonym ist, wird die Mutter nun aufgerufen, sich bei der KESB zu melden. Gemeinsam soll die beste Lösung für das Kind gefunden werden.

Was läuft nach einer Abgabe im Spital ab?

Wenn ein Säugling beim Spital Zollikerberg in das Babyfenster gelegt wird, werde mit einer Verzögerung von zwei Minuten ein Alarm auf dem Telefon der Neonatologie-Abteilung ausgelöst, schildert Spitaldirektor Christian Etter. Anschliessend werde das Kind durch den diensthabenden Arzt der Neonatologie und einer Pflegefachperson aus dem Fenster geholt. Diese kontrollieren die Vitalzeichen des Säuglings.

Wie viele Babyfenster gibt es und wie oft werden sie genutzt?

Schweizweit gibt es acht Babyfenster. Das Fenster am Spital Zollikerberg ist das Einzige im Kanton Zürich. Laut Angaben des Spitals wurde es nun zum zweiten Mal seit seiner Einführung 2014 genutzt.

Das erste Babyfenster der Schweiz wurde 2001 im Spital Einsiedeln eröffnet, nachdem am Sihlsee ein Baby tot aufgefunden worden war. Seit da wurden in der Schweiz insgesamt 28 Neugeborene in ein Babyfenster gelegt.

Bei Babyfenstern setzen Mütter ihre Kinder aus. Ist das nicht umstritten?

Doch. Der UNO-Ausschuss für die Rechte des Kindes empfiehlt sogar ein Verbot der Fenster. Demnach würden sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung verletzen. Auch im Schweizer Parlament gibt es Vorstösse, die eine Schliessung der Babyfenster fordern. Unter anderem wird kritisiert, dass mit den Fenstern die Pflicht zur Meldung des Kindes missachtet werde.

Eine Mehrheit des Parlaments und der Regierung möchte die Babyfenster aber nicht verbieten. 2016 verglich der Bundesrat in einem Bericht die verschiedenen Unterstützungsangebote für Schwangere in der Schweiz. Dabei kam er zum Schluss, dass der Fokus darauf abzielen müsse, in Notfallsituationen eine optimale Ausgangslage für Mutter und Kind zu schaffen. Eine Lösung, die allen Betroffenen – auch Vater und Behörden – entspricht, gebe es meist nicht. 

Ein Verbot von Babyfenstern könnte hingegen dazu führen, dass Mütter in Notsituationen ihre Kinder versteckt aussetzen, hielt der Bundesrat fest. Dann bestehe die Gefahr, dass das Kind nicht rechtzeitig gefunden und medizinisch betreut wird. 

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 26. Oktober 2022 06:52
aktualisiert: 26. Oktober 2022 06:52