Gegen Energiekrise

Schwimmende Solarfarm auf dem Zürichsee – Utopie oder Innovation?

· Online seit 02.12.2022, 07:14 Uhr
Auf dem Zürichsee könnten sich bald nicht nur Schiffsverkehr, Schwimmende und Seevögel tummeln. Zur Debatte steht neu ein Solarkraftwerk – temporär für 30 Jahre. Dies fordert die EVP in einer Motion. Betroffene Interessengruppen sehen dabei Konfliktpotenzial.
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Die Evangelische Volkspartei (EVP) hat im Regierungsrat am Montag eine Motion für das befristete Erstellen eines schwimmenden Solarkraftwerks auf dem Zürichsee eingereicht. Es gehe darum, «rasch einen substanziellen Beitrag zur Stärkung der Versorgungssicherheit mit inländischen, erneuerbaren Energien zu erreichen», schreibt die Partei.

EVP: «Ausbau der erneuerbaren Energien versäumt»

Die Motionäre Daniel Sommer (Affoltern), Markus Schaaf (Zell) und Hanspeter Hugentobler (Pfäffikon) begründen ihren Vorstoss mit Versäumnissen im Ausbau von inländisch und erneuerbar hergestelltem Strom.

Eigentlich erhoffte man sich ursprünglich, dass Fotovoltaikanlagen auf Dächern im Kanton Zürich mehr Potenzial für die Stromgewinnung ermögliche. Doch daran scheitert oftmals die Kleinteiligkeit durch die Gemeinden.

Mit Kraftwerken auf 5 Prozent der Seen könnte man fast die AKW einsparen

Die Idee der Solarstromgewinnung auf Seen ist indes nicht neu: Bereits im Juni hat das Energieberatungsunternehmen «Energie Zukunft Schweiz» aufgezeigt, dass sich die Schweiz mit Solarkraftwerken auf den zehn grössten Seen des Landes unabhängig von Energieimporten machen könnte.

So genügten bereits fünf Prozent der Oberfläche der zehn grössten Schweizer Seen, um 15 Terawattstunden Strom zu produzieren. Dies entsprechen einem Viertel des gesamten Schweizer Stromverbrauchs in einem Jahr oder drei Vierteln der Energieproduktion der Schweizer Atomkraftwerke. Kosten des Projekts: 11 bis 12 Milliarden Franken.

Solche Kraftwerke gibt es bereits im Wallis und auch in anderen Regionen diskutiert man über solche Ideen. Das einzige bereits realisierte Projekt befindet sich auf dem Stausee Lac des Toules. Mit 2000 Quadratmetern ist es aber nur gut einen Tausendstel so gross wie die Anlage, die die EVP sich für Zürich vorstellt.

Umweltverbände sind nicht unbedingt begeistert

Wasserschutzverbände sehen solche Ideen meist kritisch. Joachim Kleiner, Vorstandsmitglied beim Zürichsee Landschaftsschutz, sagt gegenüber ZüriToday: «Wichtig ist, dass sorgfältig geprüft wird, wo man welche Projekte innerhalb der Generierung erneuerbarer Energien umsetzt.»

Solarprojekte auf Seen seien grundsätzlich eine gute Möglichkeit dazu, auf dem Zürichsee sei man aber mit verschiedenen Problemen konfrontiert: Einerseits wirkten grosse Kräfte durch Stürme, wie Wind und Wellen, andererseits könnte aber auch die Spiegelung der grossflächigen Solarpanels Tiere und Menschen am Ufer stören.

Kleiner, der betont, dass er seine persönliche Meinung zum Thema kundgibt und nicht jene des gesamten Vorstands des Zürichsee Landschaftsschutz, spricht sich für solche Projekte eher auf kleineren Seen in der Höhe aus: Dort habe es weniger Wind und Nebel, so dass auch im Winter von einer höheren Sonnenstrahlung profitiert werden könnte. So wäre beispielsweise der Wägitaler- oder Sihlsee dafür besser geeignet, so Kleiner. Ebenfalls verweist er auf das hohe Verkehrsaufkommen auf dem grössten Zürcher See, das für Konflikte sorgen könnte.

Zürcher Schifffahrtsgesellschaft sieht auch Potenzial in der Idee

So können je nach Standort solche schwimmende Solarfarmen auch zum Problem für die Linienschiffe werden. Roman Knecht von der Zürcher Schifffahrtsgesellschaft bestätigt das Konfliktpotenzial. Allerdings stehe das Projekt ja auch noch sehr am Anfang, deshalb sei es schwierig dies abzuschätzen, sagt er ZüriToday.

Auf jeden Fall dürfe es nicht sein, dass dieses Floss auf den Schiffslinien stehe und allzu empfindlich auf Wellenschlag reagiere. Andererseits sieht Knecht auch Potenzial in dieser Art der Stromgewinnung. Denn die ZSG peile das Projekt der Dekarbonisierung an. Heisst: Früher oder später werden alle Schiffe auf dem Zürichsee elektrifiziert. Möglicherweise profitiere so auch die ZSG von der Stromgewinnung. Klar sei: Die Standortevaluation müsse sorgfältig durchgeführt werden, so Knecht.

EVP macht Wahlkampf

So kurz vor den kantonalen Wahlen geht es der Kleinpartei EVP aber vielleicht auch um etwas anderes: Aufmerksamkeit.

Ob das Projekt dann wirklich vorangetrieben wird, entscheidet sich in den nächsten drei Monaten. Solange hat der Regierungsrat nun nämlich Zeit, um Stellung zu nehmen und darüber zu informieren, ob er auf das Begehren eintritt oder ob er es ablehnt.

veröffentlicht: 2. Dezember 2022 07:14
aktualisiert: 2. Dezember 2022 07:14
Quelle: ZüriToday

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