Lebensmittel-Label

Regional bedeutet nicht immer auch nachhaltig

· Online seit 17.03.2022, 11:06 Uhr
Die grossen Lebensmittelhändler der Schweiz locken Kundinnen und Kunden mit regionalen Labels. Sie sollen sicherstellen, dass Produkte nicht von weit her in die Regale kommen. Dabei gibt es aber zwei grosse Fragezeichen, sagt die Stiftung für Konsumentenschutz.
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Produkte aus der Region sind beliebt bei der Kundschaft. Das haben die grossen Händler bereits seit längerem erkannt. Sie verkaufen unter verschiedenen Labels Erzeugnisse aus lokaler Produktion und rühren dafür die Werbetrommel. Coop hat «Miini Region», bei Migros gibt es «Aus der Region. Für die Region.» und auch Newcomer Lidl führt seit dem letzten Herbst unter dem Namen «Typisch» ein Regionalkonzept.

Die Labels sollen den Konsumentinnen und Konsumenten die Sicherheit geben, dass gekaufte Produkte nicht weit vom eigenen Zuhause entfernt hergestellt oder angebaut werden. Dafür haben die Unternehmen interne Regeln und Prüfverfahren aufgestellt.

Vorgaben sollen Regionalität sicherstellen

Bei Coop etwa müssen Lebensmitteln aus nur einem Rohstoff – beispielsweise Milch, Früchte oder Gemüse – zu 100 Prozent aus der definierten Region stammen. Bei zusammengesetzten Lebensmitteln müssen mindestens 80 Prozent der landwirtschaftlichen Rohstoffe sowie der Hauptrohstoff aus der Region stammen, wie das Unternehmen sagt. Die gleichen Vorgaben gibt auch die Migros auf ihrer Website an.

Ausnahmen gibt es bei Coop für Rohstoffe, die aus klimatischen Gründen in der Region nicht angebaut werden können, etwa Kaffee oder Kakao. Ausserdem müssen Zucker, Braumalz, Hopfen und Brauhefe bei konventionellen Produkten nicht aus der Region stammen, weil es hier nur geringe regionale Produktionen gibt.

Das Versprechen der Regionalität zeichnet die Produkte mit den Lokal-Labels aus - und hier liegt ein grosser Kritikpunkt, wie Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz gegenüber ZüriToday sagt. Es sei für die Konsumentinnen und Konsumenten nicht transparent, wie die Regionen definiert sind. Bei der Migros entspreche es im grossen und ganzen den Genossenschaften. Bei Coop variiere dies von Produkt zu Produkt. «Wir finden, wenn schon Regionalität ausgezeichnet wird, dann muss diese auch transparent sein», sagt Walpen.

Die «Miini Region»-Produkte von Coop sind denn auch nicht an Kantons- oder Gemeindegrenzen gebunden, wie das Unternehmen schreibt, sondern können auch aus Gebieten stammen, «welche sich aus Kundensicht nachvollziehbar durch spezifische geschichtliche, kulturelle oder geographische Gegebenheiten definieren.» Für Betriebe aus dem grenznahen Ausland gilt eine maximale Distanz von 30 Kilometern zur Schweizer Grenze.

Wer auf Nummer sicher gehen will, kauft ab Hof oder auf dem Markt

Ein weiterer wunder Punkt ist das Thema Nachhaltigkeit. Käuferinnen und Käufer müssten sich bewusst sein, dass die Regio-Labels vorwiegend die Herkunft auszeichnen, nicht die Produktionsweise. «Man darf sich nicht von idyllischen Marketingbildern täuschen lassen», so Josianne Walpen weiter. «Regionale Tomaten im Winter, die in einem Treibhaus gezogen wurden, haben mit Nachhaltigkeit wenig zu tun. Auch bei der Tierhaltung fehlen Anforderungen.»

Was rät die Konsumentenschützerin jenen, die Produkte aus der Region einkaufen möchten? «Wer die Gelegenheit hat, kauft die Produkte am besten ab Hof – davon haben die Produzentinnen und Produzenten am meisten», sagt Walpen. Es gebe inzwischen auch viele Möglichkeiten, regionale Produkte zu abonnieren oder auf Märkten zu kaufen.

Verteufeln will die Stiftung für Konsumentenschutz die Labels aber nicht. Grundsätzlich sei es auch bei den Grossverteilern sinnvoll, auf regionale und saisonale Produkte zu achten, lautet das Fazit von Josianne Walpen. Immer im Bewusstsein, dass die Region vielleicht nicht immer der eigenen Vorstellung von Regionalität entspreche. Wem neben der Regionalität auch die Nachhaltigkeit wichtig sei, sollte ausserdem auf zusätzliche Labels wie IP Suisse oder Bio achten.

(osc)

veröffentlicht: 17. März 2022 11:06
aktualisiert: 17. März 2022 11:06
Quelle: ZüriToday

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