Horrorspass

Never Watch Alone: Ein Filmverein macht das Kino zur Gaudi

03.03.2022, 13:16 Uhr
· Online seit 02.03.2022, 21:31 Uhr
Eine Gruppe Filmnerds frönt dem niveaufreien Film und lädt diesen Samstag zum gemeinsamen Gruseln ein. Hilft das kollektive Filmerlebnis der Kinobranche aus der Krise? Marius Kuh, Doktorand am Seminar für Filmwissenschaften und Gründer des Vereins «Never Watch Alone» im schaurigen Gespräch.
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Lieber Marius, kannst du den Verein «Never Watch Alone» beschreiben?
2020, genau am Anfang der Pandemie, haben ich und zwei andere den Verein gegründet. Also genau die perfekte Zeit, um gemeinsam Filme zu schauen. Ich kam da gerade von einem Austauschsemester aus Amerika und habe dort einige Horror-Marathons erlebt. Dort schaut man 8 bis 12 Stunden Horrorfilme am Stück. Ich fand, das braucht es in Zürich auch unbedingt. Zu Halloween haben wir dann die «8 Hours of Horror» im Riffraff durchgeführt und im darauffolgenden Jahr wiederholt. Dieses Jahr wird sie dann zum dritten Mal stattfinden.

Und der Verein besteht aus lauter Filmdoktoranden wie dir?
Nein nein, das sind alles Leute aus verschiedenen Ecken, aber alle, die etwas mit Filmkultur zu tun haben. Zum Beispiel ist jemand von der Zauberlaterne (Filmklub für Kinder) und jemand vom Filmpodium Zürich dabei.

Never Watch Alone ist ein Verein (und ich zitiere) für das kollektive Kinoerlebnis und den niveaufreien Film. Was ist denn ein niveaufreier Film?
(Lacht) Dieses Wortspiel mussten wir schon oft erklären. Für uns geht es nicht um den niveaulosen, sondern um den niveaufreien Film. Das heisst, von Trashperle und Kultklassiker bis zum unentdeckten Filmschatz kann alles dabei sein. Wir haben also nicht den Anspruch nur Hochkultur abzudecken, sondern die ganze Palette des Films.

Mit eurer Reihe 8 Hours of Horror deckt ihr aber vor allem die Horrorpalette ab. Worin besteht die Faszination zu Gruselfilmen?
Horrorfilme haben etwas leicht Kathartisches. Also etwas Schönes, wo man sich zusammen erschrecken kann. Unser Anspruch «Kollektives Kinoerlebnis» erlebt man daher tatsächlich am besten mit einem Horrorfilm. Da kann man zusammen schreien, lachen und johlen. Das hat eine grosse Anziehungskraft.

Früher geisterten dubiose Slasher-Filme auf VHS-Kassetten rum, heute ist der Horrorfilm im Mainstream angelangt. Wie erklärst du dir diese Wandlung?
Der Horrorfilm spielt mit den Ängsten der Zuschauer. Es gibt viele talentierte Regisseure, die erkennen, was in der Gesellschaft gerade brodelt und einen Weg finden, Hintergründiges transparent zu machen. Zudem muss man sagen, dass Horrorfilme immer noch sehr günstig zu produzieren sind. Ein Scream 5 konnte am Premierenwochenende wohl schon die gesamten Produktionskosten einnehmen. Auch das schafft viele Freiheiten und Raum zum Experimentieren. Dann gibt es in der Branche auch Studios wie A24, die diesen kreativen Freiraum suchen und auch bieten.

A24 ist ein gutes Stichwort. Das Studio scheint einen Kultfilm nach dem anderen zu liefern. Entsteht dadurch eine Trendwende im Horror?
Momentan sind besonders die Handschriften einiger Regisseure zu spüren. Da kommt mir zum Beispiel ein Ari Aster (Midsommar, Hereditery) oder Jordan Peele (Get Out, Us) in den Sinn. Was in nächster Zeit aber immer mehr in Erscheinung treten wird, sind nostalgische Remakes à la Scream, Halloween oder der Exorzist. Das ist ähnlich wie bei Star Wars und co. wo auch bekannte Schauspieler ihre alten Rollen wieder aufnehmen.

Nostalgie als kollektive Hysterie. Passt ja eigentlich ganz gut in euer Konzept. Wie laut wirds eigentlich an euren Vorstellungen? 
An der letzten «8 Hours of Horror»-Vorstellung zeigten wir Sleepaway Camp. Der Film ist in den USA ein absoluter Kult aber hierzulande kennen ihn die wenigsten. Nach nicht mal zwei Minuten brach im Publikum ein riesiges Gejohle aus. Solche Sachen sind absolut erlaubt und wenn der Film Spass macht, dann soll man auch zusammen Spass haben dürfen.

Könnten solche Spass-Vorstellungen vielleicht sogar die hiesige Kinobranche wieder revitalisieren?
Das Kino ist derzeit vielleicht nicht in seiner erfolgreichsten Phase, das stimmt. Ich denke Events sind ein Schlüssel, um die Kinosäle wieder zu füllen. Ich bin aber nach wie vor überzeugt, dass wieder andere Zeiten kommen werden und der Film an sich eine genügend grosse Anziehungskraft haben wird, damit die Leute in die Kinos zurückkehren. Etliche Male wurde schon über die Kino-Krise debattiert und ob es wirklich so akut ist, bezweifle ich.

Diesen Samstag startet ihr eine neue Reihe. Einmal im Monat werdet ihr an der «Riff Rough Night» Kultklassiker zeigen - beginnend mit Donnie Darko. Ein Film, der die Leute ins Kino zurück lockt? 
Mit der Riff Rough Night wollen wir uns thematisch ein wenig von den «8 Hours of Horror» distanzieren. Neu zeigen wir also auch Kultklassiker und unbekannte Filmperlen aus allen Genres. Donnie Darko passt enorm gut in dieses Schema. Einerseits hat er zwar immer noch gewisse Horrorelemente aber er deckt auch die pure Nostalgie ab. Obwohl er einen riesigen Kultstatus hat, lief er bei uns in der Schweiz gar nie in den Kinos. Aus diesem Grund dachten wir, es wäre passend, den Film endlich auch auf der grossen Leinwand zu zeigen.

Im Film geht es um einen Teenager, der nicht mehr mit der Realität klarkommt und langsam aber sicher verrückt wird. Eine Parallele zu unserer heutigen Gesellschaft? 
Ha! Nein, ich muss jetzt zugeben, dass das reiner Zufall ist. Der Film kam kurz nach 9/11 im Jahr 2001 in die Kinos und traf schon dort auf eine von Unsicherheit geplagte Gesellschaft. Insofern gibt es da tatsächlich gewisse Parallelen zu der heutigen Zeit. Wir wählten den Film aber ausschliesslich aufgrund seiner Qualität.

Welche Filme wollt ihr als Nächstes zeigen?
An der nächsten Vorstellung zeigen wir eine Horrorkomödie aus den 80er-Jahren. Vampire’s Kiss mit Nicolas Cage.

veröffentlicht: 2. März 2022 21:31
aktualisiert: 3. März 2022 13:16
Quelle: ZüriToday

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