Adressen, Handynummern & Gutachten

Sensible Informationen der Zürcher Justiz landeten im Rotlichtmilieu

02.12.2022, 07:54 Uhr
· Online seit 02.12.2022, 07:13 Uhr
Über mehrere Jahre soll die Zürcher Justizdirektion bei der Entsorgung von Computern nachlässig gehandelt haben. So gelangten sensible Daten ins Zürcher Drogen- und Sexmilieu.
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Sensible Informationen und Daten der Justiz gehören nicht in die Hände von Kriminellen. Doch genau solche Daten, etwa private Handynummern von Polizisten und psychiatrische Gutachten, sind im Kanton Zürich über Jahre hinweg im kriminellen Kreis gelandet: Im Drogen- und Rotlichtmilieu.

In die falschen Hände geraten

Ein Fall am Zürcher Obergericht hat das Ganze ins Rollen gebracht. Es geht um den Prozess gegen Roland Gisler, Betreiber des berüchtigten Neugasshofs. Eine Rockerbar, in der Drogenhandel im grossen Stil betrieben wurde. Gisler, der mit dem Handel von Marihuana mehrere Millionen verdient haben soll und dessen Fall ans Bundesgericht weitergezogen wird, hat im Zuge dieses Gerichtsfalls 20 Festplatten der Zürcher Justizdirektion dem Gericht übergeben. Er habe diese in seinem Lokal gefunden, schreibt der «Tages Anzeiger».

Daten wurden nicht gelöscht

Dorthin gelangt sind die Festplatten über seinen Bruder. Dieser hatte zuerst als Angestellter einer Firma und später als Privatperson für die Justizdirektion Computer und Drucker entsorgt. Als Bezahlung habe er die Geräte behalten dürfen. Auf einem Grossteil der Festplatten waren die Daten nicht gelöscht, so erhielt Gislers Bruder eine riesige Menge an Informationen aus der Justizdirektion. Er verkaufte die Geräte nach Afrika und in die ganze Welt.

Tatsächlich sei ein Teil der Daten missbraucht worden. Gisler soll an Telefonnummern oder Adressen von Richtern und Staatsanwälten gelangt sein. Und dies nutzte er auch aus: Bei einem Staatsanwalt sei er zum Beispiel zu Hause aufgetaucht, weil er ihn zur Rede habe stellen wollen. Laut «Blick» soll Gisler versucht haben, mit den Daten die Zürcher Justiz zu erpressen und zu beeinflussen.

Justizdirektion weiss seit zwei Jahren davon

Laut Recherchen des «Tages Anzeigers» geht es um den Zeitraum von 2008 bis mindestens 2012. Seit zwei Jahren ist das Datenleck der Zürcher Justiz bekannt. Einen Teil der Festplatten sucht die Justizdirektion offenbar noch immer. Die Zahl der betroffenen Festplatten ist nicht bekannt. Wer die sensiblen Daten hätte löschen sollen, Gislers Bruder oder die Justizdirektion, ist ebenfalls unklar.

Das Datenleck beschäftigt nun die Justiz selbst. Es läuft eine Strafuntersuchung. Geschäftsprüfungskommission, Datenschutz und Finanzkontrolle seien laut dem «Tages Anzeiger» informiert.

(hap)

veröffentlicht: 2. Dezember 2022 07:13
aktualisiert: 2. Dezember 2022 07:54
Quelle: ZüriToday

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