Aussergewöhnlicher Fall

Rentner schoss seinem Nachbar im Verfolgungswahn mit Revolver in Bauch

27.04.2022, 08:35 Uhr
· Online seit 27.04.2022, 07:32 Uhr
Im Fall eines 65-Jährigen Mannes, der in Zürich seinem Nachbarn in den Bauch schoss, werden zwei verschiedene Arten von Freisprüchen gefordert. Der Grund dafür ist aussergewöhnlich.
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Ein sehr aussergewöhnlicher Fall: Ein Rentner aus Zürich Schwamendingen wird vom Bezirksgericht Zürich vom Vorwurf der versuchten Tötung freigesprochen. Der Staatsanwalt ist nicht einverstanden und wendet sich ans Obergericht. Dort verlangt er für den Beschuldigten dann aber folgendes: einen Freispruch.

Anschuldigungen und Provokationen zwischen zwei Nachbarn

Der 65-jährige Beschuldigte behauptete, sein Nachbar vergifte seine Pflanzen, werfe Abfall in seinen Briefkasten und stehle Waren daraus. Ausserdem versuche er, heimlich seine Wohnung zu betreten und schikaniere die Hausbewohner. Dies geht aus einem Bericht des Tagesanzeigers hervor.

Der 60-jährige Nachbar, Ehemann der Hauswartin, hingegen klagte, dass der Rentner ihn per Kamera in Garten und Gängen überwache und seine Gespräche mit Hausbewohnern mit dem Handy filme. Zudem hänge er Zettel mit Diebstahlvorwürfen auf, beschimpfe und belästige die Hausbewohner mit lautem TV-Konsum und lärmigen Schritten im Laubengang.

An einem Sommerabend kam es dann zu gegenseitigen Provokationen und Beleidigungen zwischen den beiden Männern. Der Ehemann der Hauswartin schnitt einen Teppich zu und soll mit dem Teppichmesser in der Hand auf den Rentner losgegangen sein. Der Rentner, mit einem Revolver bewaffnet hatte, schoss daraufhin seinem Gegenüber in den Bauch.

Zwei verschiedene Forderungen nach Freispruch

Das Bezirksgericht sprach den Mann frei, weil er in einer «Putativnotwehr» gehandelt habe: Der Rentner nahm aufgrund seiner Krankheit – bei ihm wurde systematischer Verfolgungswahn zufolge wahnhafter Störung oder schizophrener Erkrankung diagnostiziert – irrtümlich an, er befinde sich in einer Notwehrsituation. Auch der Staatsanwalt hatte einen Freispruch verlangt, wegen Schuldunfähigkeit.

Der Unterschied zwischen den beiden Arten von Freisprüchen: Wer berechtigt in Notwehr handelt, tut dies nicht rechtswidrig. Einem Täter, der jedoch nicht rechtswidrig handelt, darf keine Massnahme auferlegt werden. Wer auf der anderen Seite schuldunfähig ist, handelt nicht schuldhaft, aber rechtswidrig. Deshalb darf ihm eine Massnahme auferlegt werden.

Das Obergericht hat den Fall noch nicht entschieden. Es will zuerst das psychiatrische Gutachten ergänzen lassen. Die Befürchtung eines Rückfalls hat sich seit der Entlassung des Mannes aus der 977 Tage dauernden Untersuchungshaft vor über einem Jahr nicht bestätigt. Ausserdem unterzieht sich der Rentner aktuell freiwillig einer psychiatrischen Betreuung.

(hap)

veröffentlicht: 27. April 2022 07:32
aktualisiert: 27. April 2022 08:35
Quelle: ZüriToday

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