Kostenreduktion

Geroldswil startet Sozialhilfe-Pilotprojekt

· Online seit 02.07.2022, 17:10 Uhr
Auf Empfehlung einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften will die Gemeinde mehr Personalressourcen für die Betreuung von Sozialhilfebezügern aufwenden, um sie so schneller wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
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Die hohen Ausgaben für die wirtschaftliche Sozialhilfe in Geroldswil waren an Gemeindeversammlungen schon öfters Gegenstand heisser Diskussionen. Die Gemeinde hat die hohen Aufwendungen von Forschenden an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) untersuchen lassen. Die Studie kam nun zum Schluss, dass Geroldswil als Zentrumsgemeinde auf der rechten Limmatseite höhere Lasten trägt als ihre eher ländlicheren Nachbargemeinden Oetwil oder Weiningen.

«Wir wurden in unserer Annahme durch die Studie bestätigt», sagt Karl Suter, Abteilungsleiter Soziales und Gesundheit. Die Gemeinde Geroldswil sei mit ihrem Freizeitangebot, den Einkaufsmöglichkeiten und der Primarschule für die Mittelschicht ein attraktiver Wohnort.

Geroldswil ist attraktiv für Sozialhilfebezüger

«Doch auch für Sozialhilfeempfänger ist unser Angebot reizvoll. Geroldswil hat eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Weil vieles in Reichweite ist, braucht man fast kein Geld, wenn man aus dem Haus geht», sagt Suter. Das erkläre, weshalb in Geroldswil die Kosten für die Sozialhilfe höher ausfallen als in den umliegenden Gemeinden.

In der Studie findet sich aber nicht nur eine Analyse, sondern auch gleich eine Handlungsempfehlung. «Der Gemeinde wurde geraten, bei der Sozialberatung einen Schwerpunkt zu legen», sagt Suter. Diesen Rat hat man beherzigt. «Wir haben für die Stelle in der Sachbearbeitung Soziales und Gesundheit eine neue Person mit einem Pensum von 80 bis 100 Prozent für die folgenden zwei Jahre eingestellt.» Das Ziel ist klar: Das zweijährige Pilotprojekt soll in Form eines Ausbaus der Sozialarbeit dazu beitragen, deren Effektivität zu steigern, damit mittelfristig die Kosten der wirtschaftlichen Sozialhilfe gesenkt werden können.

Mehr Zeit für die Betreuung von Sozialhilfebeziehenden aufwenden

«Je mehr Zeit wir für die Fallführung, Beratung und Betreuung der arbeitsfähigen Sozialhilfebeziehenden aufwenden können, desto früher können sie wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden», ist sich Suter sicher. Es sei ihm wichtig, eine nachhaltige Lösung für die betroffenen Personen zu finden.

Deshalb sollen die Sozialhilfeempfänger in Berufsintegrationsprogrammen arbeitsmarktfähig gemacht werden und auch in Sachen Selbstwertgefühl sollen sie gecoacht werden. «Viele haben sich schon auf mehr als 100 Stellen beworben und immer wieder Absagen erhalten. Das nagt am Selbstbewusstsein. Und auch der Umstand, dass sie Sozialhilfe erhalten, ist für viele belastend. Sie müssen mental auf Vorstellungsgespräche vorbereitet werden, damit sie wieder selbstbewusst auftreten können, sonst gibt ihnen niemand eine Chance und stellt sie ein», sagt Suter.

Neben der Psyche sei manchmal auch die Gesundheit das Problem. «Gewisse können aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht mehr in dem Ausmass arbeiten, wie sie es sich wünschen würden. Auch das ist ein schwieriges Los.»

Zwei bis drei Sozialhilfefälle pro Jahr weniger

Aktuell zählt Geroldswil 80 Sozialhilfeempfangende. Der Höchststand fiel auf das Jahr 2018 mit 120 Fällen. Suter ist guter Dinge, dass mit dem Pilotprojekt die Zahl pro Jahr um weitere zwei bis drei gesenkt werden kann.

Dass es funktioniert, zeigt das Beispiel der Stadt Winterthur. 2018 führte sie ein ähnliches Pilotprojekt ein und baute die Sozialarbeit unter Sozialvorstand Nicolas Galladé (SP) aus. Die Stadt hat zusätzlich zu den 19 Vollzeitstellen 11 weitere geschaffen. Das Resultat folgte 2019 prompt: Die Stadt konnte die Ausgaben für die Sozialhilfe um 2,7 Millionen Franken senken. Den 1,6 Millionen Franken Mehrkosten für das weitere Personal standen nämlich Einsparungen von 4,3 Millionen Franken gegenüber.

Ob das zweijährige Pilotprojekt in Geroldswil die erwünschte Wirkung zeigt, wird sich in einem Jahr herausstellen. Dann will Suter eine Zwischenbilanz ziehen. Er hofft, dass sich sein Credo bewahrheiten wird: Lieber Löhne als Sozialhilfe bezahlen.

(Sibylle Egloff/Limmattaler Zeitung)

veröffentlicht: 2. Juli 2022 17:10
aktualisiert: 2. Juli 2022 17:10
Quelle: Limmattaler Zeitung

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