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12-Jährige zu Sex gezwungen – sieben Beschuldigte in Winterthur vor Gericht

"Loverboy"-Fall

12-Jährige zu Sex gezwungen – sieben Beschuldigte in Winterthur vor Gericht

· Online seit 13.05.2022, 15:09 Uhr
Das Bezirksgericht Winterthur muss sich am Montag mit einem so genannten «Loverboy»-Fall befassen. Hauptbeschuldigter ist ein junger Mann, der ein 12-jähriges Mädchen während zwei Jahren ausbeutete und seinen Freunden «zur Verfügung stellte».
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«Loverboys» sind junge Männer, die einem Mädchen zuerst die grosse Liebe vorspielen, um es dann zu manipulieren, auszubeuten und zu missbrauchen. Oft sind die Täter selber noch minderjährig. Der Fall aus Winterthur ist ein drastisches Beispiel dieser Missbrauchs-Form.

Vor Gericht stehen ab Montag sieben junge Männer, ein Teil davon ist noch minderjährig oder war es zumindest zum Tatzeitpunkt. Das Gericht verbietet es den Medien deshalb, genauere Angaben zu Herkunft, Tatorten und Alter zu machen.

Komplett von ihm abhängig

Der Hauptbeschuldigte lernte das Mädchen kennen, als dieses gerade mal 12 Jahre alt war. Er war damals 16. Gemäss Anklage war es unsterblich in den Jugendlichen verliebt und emotional komplett von ihm abhängig. Diese Machtposition habe er dann schamlos ausgenutzt.

In diese Machtposition schaffte er es, indem er mit «Belohnung und Strafe» arbeitete. Im einen Moment drohte er dem Mädchen damit, ihm Zehen oder Finger abzuschneiden, es zu verlassen oder es im Wald auszusetzen. Im nächsten Moment umarmte und küsste er es.

Geld stehlen als «Liebesbeweis»

Als «Liebesbeweis» forderte er immer wieder Geld. Insgesamt stahl das Mädchen seinen Eltern rund 15'000 Franken, das er für Turnschuhe und Kleider ausgab. Brachte es ihm zu einem Treffen kein Geld, schlug er es. In einem Fall drückte er eine Zigarette in seinem Gesicht aus und schlug seinen Kopf an eine Autotür.

Sich von ihm zu trennen, kam für das Mädchen nicht in Frage. Er hatte absolute Loyalität verlangt. Die 12-Jährige litt unter grosser Trennungsangst und konnte mit der Situation nicht umgehen. «Sie hatte nie die freie Wahl», heisst es dazu in der Anklage.

Wollte Playboy und Gangster sein

Irgendwann zwang er sie dazu, Sex mit anderen zu haben. So habe er sich vor seinen Freunden und «Cousins» als Playboy und Gangster in Szene gesetzt, schreibt die Jugendanwaltschaft in der Anklage. Er habe das Mädchen bewusst beherrscht und wie eine Ware benutzt.

Er schlug sie auch vor den Augen seiner Freunde, um seine Macht zu demonstrieren. Häufig waren mehrere seiner Kollegen an den Missbrauchshandlungen beteiligt. Diese «Bros», umgangssprachlich für «Brüder», wussten, dass das Mädchen minderjährig war und keinesfalls freiwillig mit ihnen Sex hatte. Sie stehen deshalb ebenfalls vor Gericht, unter anderem wegen Vergewaltigung.

Freiheitsstrafe von zehn Jahren gefordert

Der Hauptbeschuldigte ist unter anderem wegen Menschenhandels angeklagt. Er sitzt seit zwei Jahren im Gefängnis. Die Jugendanwaltschaft fordert für ihn eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Weil er zu Beginn der Taten noch minderjährig war, soll er in eine stationäre Massnahme für junge Erwachsene.

Seine minderjährigen «Bros» sollen bedingte Freiheitsstrafen erhalten. Die volljährigen Freunde sollen mit unbedingten Freiheitsstrafen sowie je zehn Jahren Landesverweis bestraft werden. Die Anträge der Beschuldigten-Anwälte werden beim Prozess bekannt.

In geschlossenes Jugendheim eingewiesen

Das Mädchen war seinem «Freund» derart ergeben, dass es ihn sogar auf dem Polizeiposten noch in Schutz nahm. Auch nachdem es schon erste Aussagen gemacht hatte, traf es sich weiter mit ihm.

Die Eltern und die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) wollten der Situation nicht länger zusehen. Irgendwann sahen sie keine anderem Möglichkeit mehr, als die 14-Jährige fürsorgerisch in einem geschlossenen Jugendheim unterzubringen, um sie dem Einfluss des «Loverboys» zu entziehen.

Der Prozess am Bezirksgericht Winterthur wird mehrere Tage dauern. Das Urteil wird voraussichtlich Anfang Juli eröffnet.

(sda/lol)

veröffentlicht: 13. Mai 2022 15:09
aktualisiert: 13. Mai 2022 15:09
Quelle: ZüriToday

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