Zürich

Häusliche Gewalt in Dietikon: Bezirksgericht spricht Kosovaren frei

Bezirksgericht Dietikon

Schlagen und Würgen bis zur Bewusstlosigkeit – Beschuldigter freigesprochen

· Online seit 10.09.2024, 11:49 Uhr
Ein 47-jähriger Kosovare musste sich vor dem Bezirksgericht Dietikon wegen vermeintlicher tätlicher Angriffe gegenüber seiner Ex-Frau verantworten. Der Beschuldigte stritt sämtliche Vorwürfe ab, doch die Befragungen ergaben jede Menge Widersprüche.
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Der 47-jährige Kosovare soll seine Ehefrau im Oktober 2020 mehrfach angespuckt, geschlagen, zu Boden gedrückt und gewürgt haben, sodass diese kaum mehr Luft bekam. Seine Ex-Frau soll an diesem Abend mehrfach das Bewusstsein verloren haben, wie die «Limmattaler Zeitung» berichtet. Die damals 17-jährige Tochter eilte der Mutter zwei Mal zur Hilfe und versuchte ihre Eltern voneinander zu trennen.

Gemäss Anklageschrift soll der Mann auch mit einem Stuhl auf seine Ehefrau losgegangen sein. Dagegen konnte sich die Frau aber wehren, indem sie ihren Mann mit Äpfeln beschoss. Kurzzeitig bedrohte der Mann seine Frau auch mit einem Brotmesser und drohte, sie umzubringen.

Tochter wollte vor Gericht nicht mehr aussagen

Zum Vorfall kam es, weil die Mutter ihren Mann beschuldigt hatte, der gemeinsamen Tochter Gift in deren Orangensaft gefüllt zu haben. Den Verdacht hegte sie, da das Glas voller schien als zu vor. Wie spätere Untersuchungen herausstellten, war im Orangensaft jedoch kein Gift enthalten.

Der Kosovare musste sich am Freitag fast vier Jahre später vor Gericht verantworten. Wie in vielen Fällen häuslicher Gewalt stritt der Beschuldigte sämtliche Vorwürfe ab. Die Tochter wollte keine Zeugenaussage machen. So stand es Aussage gegen Aussage. Aufgrund der Fotos der Verletzungen am Körper der Privatklägerin waren sich aber alle im Gerichtssaal einig, dass an diesem Abend etwas vorgefallen sein musste.

Widersprüchliche Aussagen

Die Aussagen des Opfers waren jedoch widersprüchlich. So fehlten bei der ersten Einvernahme von Mutter und Tochter Faktoren wie das Würgen und die Ohnmacht. An beides erinnert sich die Privatklägerin nicht, ihre Tochter habe ihr ein paar Tage nach dem Vorfall davon erzählt. Auch darüber, ob sie einmal, zweimal oder doch dreimal ohnmächtig war, wie sie vor Gericht sagte, lagen verschiedene Protokolle vor.

Ein anderes Beispiel war die Verteidigung mit den Äpfeln. Diese schilderte sie immer wieder anders: Einmal wehrte sie mit den Äpfeln das Brotmesser ab, einmal den Stuhl und einmal beschoss sie den Kopf des Beschuldigten damit. Mit den Widersprüchen konfrontiert, sagte die Privatklägerin nur: «Es war so, wie ich es jetzt gesagt habe.» Sie selbst habe seit einiger Zeit weder zur Tochter noch zum Ex-Mann Kontakt und hat sich in einem anderen Kanton niedergelassen.

Der Beschuldigte sagte hingegen aus, dass er seine Tochter jedes Wochenende sehe und ein sehr gutes Verhältnis zu ihr habe. Er präsentierte eine ganz andere Sicht auf die Geschichte: Nicht er, sondern seine Ex-Frau sei an diesem Abend aggressiv geworden und habe ihn tätlich angegriffen. Er habe seine Frau nie geschlagen. Woher die blauen Flecken auf den Aufnahmen stammen, wisse er nicht. Auf die Frage, was seine Zukunftspläne seien, antwortete er: «Ich will ein ganz normales Leben führen und endlich Ruhe haben vor meiner Ex-Frau.»

Freispruch in allen Punkten

Der Verteidiger des Beschuldigten bezeichnete die Darstellungen des Vorfalls als «reichlich übertrieben und wenig realistisch». Nicht nur die vermeintlichen Würgespuren, sondern auch jene vom Biss in den Finger erkannte er nicht als Beweise an. «Sich in den Finger beissen, um sich das Spielzeug wegzunehmen – das tun Kleinkinder», sagte er. Gesamthaft würden sich völlig widersprüchliche Aussagen ergeben.

Dieser Ansicht war auch Gerichtspräsidentin Fabienne Moser-Frei: «Wir können nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass sich die Vorfälle in einer bestimmten Variante abgespielt haben», sagte sie an der Urteilseröffnung. Deshalb sprach das Bezirksgericht Dietikon den Beschuldigten am Freitag nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» in allen Anklagepunkten frei. Die gesamten Gerichtskosten fallen der Staatskasse zur Last.

(sur)

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veröffentlicht: 10. September 2024 11:49
aktualisiert: 10. September 2024 11:49
Quelle: ZüriToday

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