Mieter-Rausschmiss Seegräben

«Die SVP hat beim Thema Wohnungen die letzten 20 Jahre verschlafen»

· Online seit 28.02.2023, 15:53 Uhr
In der Zürcher Gemeinde Seegräben muss ein Mieter seine Wohnung räumen, damit die Verwaltung dort eine Flüchtlingsfamilie unterbringen kann. Der Fall führt schweizweit zu Diskussionen über die Asylpolitik. So reagieren die Polparteien.

Quelle: CH Media Video Unit / Katja Jeggli

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Die Diskussionen um den Fall eines Mieters in der Gemeinde Seegräben im Zürcher Oberland haben mittlerweile das Kantonsparlament erreicht. Die SVP schreibt in einer Fraktionserklärung, dass dieser Fall exemplarisch für die gescheiterte Asylpolitik der vergangenen Jahre in der Schweiz und im Kanton Zürich stehe. Die SP wiederum sieht das Versagen vor allem bei der SVP selber.

Containerunterkünfte könnten eine Lösung sein

«Es kann nicht sein, dass rechtschaffene Schweizer Bürgerinnen und Bürger aus ihren Wohnungen vertrieben werden, um Wirtschaftsflüchtlingen und weiteren ‹Schutzsuchenden› Platz zu bieten», heisst es in der Erklärung der SVP. Jene Personen müssten in Notsituationen in Zivilschutz-, Militär-, und Containeranlagen untergebracht werden.

Container lohnten sich erst ab 20 Personen, sagt Marco Pezzatti (FDP), Gemeindepräsident von Seegräben in einem Interview mit dem «Nebelspalter». Für ein paar wenige Geflüchtete sei dies ein unverhältnismässiger Aufwand. «Dies würde auch von der Bevölkerung nicht verstanden werden, wenn wir gemeindeeigene Wohnungen haben und gleichzeitig Kosten mit einer Containeranlage verursachen», betont Pezzatti.

Der Kanton Zürich liess kürzlich verlauten, dass die Gemeinde ihr Aufnahme-Kontingent an Flüchtlingen schon erfüllt habe. Die Wohnungskündigung wäre deshalb gar nicht mehr nötig. Seegräben jedoch bleibt bei der Kündigung, weil man damit rechnet, bald noch weitere Flüchtlinge aufnehmen zu müssen.

Aufnahmequoten sind schwierig zu erfüllen

Die Gemeinden, welche die Anweisungen des Kantons umsetzen und die Aufnahmequoten erfüllen müssen, seien in einer schwierigen Situation, heisst es auch bei der SVP. «Der Regierungsrat muss den Gemeinden ermöglichen, auch kommunale Schutzanlangen für Asylsuchende zur Verfügung zu stellen, anstatt dass die Gemeinden in der Not Schweizer Bürgern die Wohnung kündigen.»

Die SVP fordert nun Regierungsrat Mario Fehr dazu auf, das «Asylchaos» im Kanton Zürich «endlich an die Hand zu nehmen und in einem ersten Schritt neue Unterbringungsplätze zu schaffen.» Zudem sollen Flüchtlinge, welche aufgrund von erhofften besseren wirtschaftlichen Lebensumständen in den Kanton Zürich gelangen, unverzüglich in ihre Heimatländer zurückgewiesen werden.

Vorgehen der SVP sei «lächerlich!»

Auf Nachfrage bei der SP, wie das Problem und die Reaktionen der SVP einzustufen sei, kommt Unverständnis. Statt Lösungen zu bieten, betreibe die SVP Fingerzeig, sagt SP-Kantonsrat Tobias Langenegger. Dabei komme einer, der den Kündigungsbrief unterzeichnet hat, sogar aus den eigenen Reihen: der Vertreter der SVP im Gemeinderat von Seegräben Patrik Jenal.

Langenegger merkt an: «Die SVP hat gemerkt, dass Leute im Kanton Zürich ein riesengrosses Problem haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Und das hat hauptsächlich die SVP verursacht, weil sie im Kantonsrat federführend ist. Sie waren immer bei den starken Parteien, aber haben es nicht geschafft, irgendetwas zu verändern.»

«Vor 10 Jahren hatten wir den genau gleich tiefen Leerwohnungsbestand wie auch heute. Trotzdem sind die Mieten fast doppelt so hoch, sie wurden etwa ein Drittel bis zur Hälfte teurer», so Langenegger zum Problem. Es gehe auch nicht nur um ein paar Leute mit Status S pro Gemeinde. Der Wohnraum-Mangel sei ein grosses Thema, das alle Leute bis in den Mittelstand betreffe. «Die finden keine bezahlbaren Wohnungen mehr.»

«Die letzten 20 Jahre verschlafen»

Boden im Kanton Zürich sei pures Gold, sagt SP-Mann Langenegger weiter. Da fliesse jede Menge Kapital rein. Und die SVP habe dies immer legitimiert. «Wenn da Flüchtlinge kommen, dann rufen sie wahnsinnig aus. Geht es aber ums nationale Kapital und unsere Mieten, die explodieren, wird einfach nichts gesagt.». Man müsse endlich Lösungen bringen und nicht nur verurteilen.

Die SP selber setze sich mit einer Initiative für kommunales Vorkaufsrecht dafür ein, dass die Gemeinden endlich aktiver werden auf dem Bodenmarkt, verspricht Langenegger. «Die Gemeinden haben es verpasst, genau für solche Fälle kostengünstige Wohnung anzubieten. Und wenn das vernachlässigt wird, und man dann behaupte, dass die Wohnungspolitik nichts mit ihnen zu tun habe, dann haben die einfach die letzten 20 Jahre verschlafen.»

Auch in Windisch AG müssen Mieter für Geflüchtete Platz machen:

veröffentlicht: 28. Februar 2023 15:53
aktualisiert: 28. Februar 2023 15:53
Quelle: ZüriToday

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