«Die Elster ging im Sturzflug auf mich los»
Quelle: ZüriToday / Linus Bauer
«Ich war zu Fuss unterwegs, als plötzlich eine Elster im Sturzfug auf mich losging». ZüriReporter Domenico Messina hatte einen Schreck, als er am Mittwochmorgen auf dem Weg zu seiner Arbeit in Kollbrunn, im Tösstal, war. «Die Elster landete auf meinem Kopf. Ich dachte zuerst, der Vogel wollte mich angreifen», sagt Messina im Gespräch mit ZüriToday.
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Die Elster habe sich dann auf seiner Schulter niedergelassen, beschreibt Messina den Vorfall weiter. Er habe sie weggescheucht, doch sie habe nicht von ihm abgelassen: «Sie hat sogar an meinem Ohrring geknabbert!» Bis zu seinem Arbeitsplatz sei ihm der Vogel nachgeflogen. «Ganze zwei Stunden war sie bei mir», sagt der 44-Jährige.
Auch die Primarschule Kollbrunn ist betroffen
«Es ist eine zutrauliche Elster, die ganz Kollbrunn unterhaltet. Alle haben Freude an diesem Vogel», so Messina weiter. Die Elster sei sogar bei der örtlichen Schule aufgetaucht. ZüriToday hat bei der Tösstaler Primarschule nachgefragt. «Ja, die Elster gibt es in Kollbrunn, und das etwa seit Anfang Woche», sagt Schulleiterin Franziska Burgener. Sie sitze den Menschen auf den Kopf und habe sogar schon ins Schulhaus rein gewollt. Von Freude bei der Schulleiterin aber keine Spur.
Der Vogel muss verjagt werden
«Die Elster hat keinen Respekt vor Menschen und sucht den Kontakt», sagt die Schulleiterin. «Es ist schön und herzig, aber kein normales Verhalten.» Sie sei mit dem Wildhüter im Austausch, erklärt Burgener. Dieser habe ihr gesagt, dass das Verhalten des Vogels für den Menschen gefährlich sei. Man müsse ihn verjagen, damit er wieder den Kontakt mit den Menschen scheue.
«Bei dieser Elster muss man so reagieren»
Die Lehrpersonen hätten die Schülerinnen und Schüler über den Umgang mit der Elster informiert, sagt Franziska Burgener. Es reiche bei diesem Tier nicht, wenn man darauf zugeht und in die Hände klatscht. «Der Wildhüter empfiehlt, dass wir das Tier zum Beispiel mit einem Besen oder indem man ihm etwas nachwirft, verjagen soll. Normalerweise geht man ja nicht auf Tiere los und wirft ihnen etwas nach, aber bei dieser Elster muss man so reagieren», so Burgener weiter. Diese Information sei auch an die Eltern gegangen: «Es geht darum, die Kinder zu sensibilisieren, dass dieses Tier nicht mehr den normalen Instinkt eines Wildtieres hat.
«Ich ging mit dem Besen raus und habe sie verscheucht»
«Ich bin jetzt seit 50 Jahren Jagdvorsteher, aber sowas habe ich noch nie erlebt», erzählt Wildhüter Siegfried Ruoss ZüriToday. Angefangen habe es bereits vor einer Woche, als er in eine Wohnung habe ausrücken müssen. Die Elster habe unbedingt über den Balkon in die Wohnung reinfliegen wollen. «Ich ging mit dem Besen raus und habe sie verscheucht», beschreibt Ruoss den Vorfall. Drei Tage danach sei dann Schulleiterin Burgener auf ihn zugekommen. Nun treibt die Elster auf dem Pausenplatz ihr Unwesen.
Ruoss bestätigt im Gespräch, dass er der Schulleiterin geraten habe, der Elster Gegenstände nachzuwerfen oder sie mit dem Besen zu vertreiben. Sie verhalte sich nicht normal, denn eigentlich würde sie Menschen scheuen. Man müsse die Elster vom Pausenplatz verjagen, denn sie sei «gyggerig, kräht die ganze Zeit und ist völlig durcheinander».
«Ich kann nicht mitten im Dorf anfangen zu schiessen»
Kann der Wildhüter etwas unternehmen? «Wenn die Elster ausserhalb des Dorfes gewesen wäre, hätte ich geschossen. Ich kann aber nicht mitten im Dorf anfangen zu schiessen», sagt Ruoss. Aber: «Man kann die Elster auch nicht einfangen. Sie ist gestört – fertig, basta.»
Kommen solche Elster-Angriffe öfters vor?
«Angriffe durch Elstern sind uns nicht bekannt», sagt Martina Schybli, Mediensprecherin der Schweizerischen Vogelwarte. «Das Verhalten der Elster deutet allerdings nicht auf einen Angriff hin, sondern auf einen zahmen Vogel, der von Menschenhand aufgezogen wurde.»
Das soll man tun, wenn man einen Wildvogel findet
Es komme leider immer wieder vor, dass aus dem Nest gefallene Rabenvögel von Privatpersonen aufgezogen würden, so die Expertin weiter. Damit tue man den Vögeln keinen Gefallen, denn dadurch bestehe die Gefahr, dass sie auf den Menschen geprägt würden. Solch fehlgeprägte Vögel hätten keine Gelegenheit, ein normales Sozialverhalten zu entwickeln. Darüber hinaus sei die Haltung oder Aufzucht eines Vogels sowieso bewilligungspflichtig. Schybli ergänzt: «Wer einen Wildvogel findet, sollte sich telefonisch mit einer Pflegestation in Verbindung setzen.»
«Diebische Elster»: Will der Vogel etwas stehlen?
Im Volksmund ist oft von «diebischen Elstern» die Rede. Hatte es die Elster vielleicht auf den Ohrschmuck des ZüriReporters abgesehen? «Dass Elstern diebisch seien, ist ein hartnäckiger Mythos», sagt Schybli. Bewiesen werden konnte es aber nicht: «Eine Studie aus England untersuchte, wie sich Elstern gegenüber glänzenden Objekten wie Schrauben oder Alufolie verhielten. Dabei zeigten die Vögel keine Reaktion oder schienen von den glänzenden Objekten sogar eher irritiert zu sein.»
Das rät die Expertin im Umgang mit dem Tier
Wie sollen die Kollbrunnerinnen und -brunner nun mit ihrer Elster umgehen? «Zu zahmen Vögeln sollte man Distanz halten. Wenn ein Vogel immer wieder versucht, auf jemandes Schulter oder Kopf zu landen, kann man auch mal versuchen, ihn zu verscheuchen – jedoch ohne grob zu werden», erklärt die Expertin. «Zentral bei Vergrämungsaktionen gegenüber zahmen Vögeln ist, dass die Vögel zwar abgeschreckt werden, aber dabei nicht zu Schaden kommen.» Ausserdem solle man die zahmen Vögel nicht füttern. Denn wenn die Vögel Abstand zu Menschen hielten, komme es eher dazu, dass sie zu Artgenossen Kontakt suchten und somit ein artgemässes Verhalten lernten.
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