«Bloss Machtspielchen!»

Das sind die Reaktionen zur Zürcher Sterbehilfe-Initiative

09.06.2023, 20:18 Uhr
· Online seit 09.06.2023, 17:15 Uhr
Am Freitag wurde eine Initiative lanciert, die private Zürcher Alters- und Pflegeheime verpflichten soll, Sterbehilfe zuzulassen. Reaktionen darauf fallen unterschiedlich aus.
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Alle Alters- und Pflegeheime im Kanton Zürich sollen künftig Sterbehilfe zulassen. Am Freitag wurde eine kantonale Volksinitiative dazu lanciert. Sie wird unter anderem von den Sterbehilfeorganisationen Exit und Dignitas unterstützt.

EVP-Kantonsrat und Fraktionspräsident Markus Schaaf äussert sich gegenüber ZüriToday gegen die Initiative. Er leitet ein Heim in Rämismühle im Zürcher Oberland – dort gibt es keine Sterbehilfe. «Es ist eine Zwängerei, das Ganze! Sie wollen einfach ein Powerplay machen und Menschen mit einer anderen Meinung um jeden Preis dazu zwingen, dass sie ihrem Weltbild entsprechen», sagt Schaaf.

Private Heime müssen keine Sterbehilfe anbieten

Aktuell gilt, dass lediglich von Gemeinden betriebene Heime Sterbehilfe ermöglichen müssen. Private Heime oder Auftragsnehmer von Gemeinden dürfen dies ablehnen. Schaaf ist genervt, und sagt, dass man im Kantonsrat schon einen Kompromiss gefunden hatte, der auch mehrheitsfähig war. Jetzt werde dieser vom Initiativkomitee einfach übergangen. «Man tut so als wäre nichts!»

Er sei erstaunt, weil man ihm erst kürzlich zugesagt hatte – sowohl die Sterbehilfeorganisationen als auch die Fraktionsverantwortlichen. «Also ging ich davon aus, dass das Thema für die nächsten Jahre geklärt sei.» Nun müsse man sich wieder damit auseinandersetzen, «nur weil hier etwas erzwungen werden soll».

«Zürich wird bestimmt nicht konservativ entscheiden»

Auch Julia Gerber Rüegg, Mitglied des Initiativkomitees und Vertreterin der Sterbehilfeorganisation Dignitas spricht mit ZüriToday über die Initiative. «Wir sind uns sicher, dass die Zürcher Bevölkerung der Initiative zustimmen wird, denn Zürich ist ein liberaler Kanton. Schon im Wallis hat man mit 76 Prozent zugestimmt», sagt die frühere SP-Politikerin. Zürich werde bestimmt keinen konservativeren Entscheid treffen.

Das Ziel sei, dass jeder einzelne Mensch vom Recht Gebrauch machen kann, über sein Lebensende selbst zu bestimmen, da wo er zu Hause ist. «Es ist stossend, dass jemand, der selbstbestimmt sterben will, sein Daheim oder das Heim verlassen muss, damit dies möglich ist.»

«Es braucht Toleranz von beiden Seiten»

Dazu sagt Markus Schaaf: «Vom Entscheid, einen assistierten Suizid in Anspruch zu nehmen, sind immer sehr viel Menschen rundherum mitbetroffen.» Es müsse daher sowohl Heime geben, die den Schritt in die Sterbehilfe unterstützten und andere, in denen es eben nicht angeboten werde. «Es braucht Toleranz von beiden Seiten und keine Zwängerei.»

Schon heute lassen über Dreiviertel aller Pflegeeinrichtungen, darunter auch privat geführte Heime, assistierten Suizid zu. «Wir sprechen hier nur von einer kleinen Minderheit, die es nicht anbietet, und mit denen wolle man nun Machtspielchen machen», so Schaaf.

Ein fauler Kompromiss?

Dass die Initiative rasch die nötigen Unterschriften beisammen haben wird, bezweifelt Heimleiter Markus Schaaf hingegen nicht: «Es braucht in Zürich nur etwa 7000 Unterschriften, also sehr wenig. Ich bin erstaunt, dass man es auf diese Weise erzwingen will.» Die Initianten hätten das Behördenreferendum ergreifen können, dazu hätte es nur die Unterschrift von 45 Mitgliedern des Kantonsrates gebraucht, sagt Schaaf.

Laut Julia Gerber ist der Kantonsratskompromiss ein fauler Kompromiss, «der ein Hintertürchen einbaut, das jede Institution leicht aufstossen kann. Der kommunale Leistungsauftrag, den der Kantonsrat mit der Duldung von Suizidhilfe verbunden hat, kann leicht gekündigt werden.» Es sei ein Menschenrecht, über sein eigenes Lebensende zu bestimmen. Wer Sterbehilfe richtig mache, werde die anderen Bewohner auch nicht mehr oder weniger stören als bei einem normalen Tod.

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veröffentlicht: 9. Juni 2023 17:15
aktualisiert: 9. Juni 2023 20:18
Quelle: ZüriToday

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