Herr Knecht, ein 23-jähriger chinesischer Student verletzte am Dienstag in Zürich drei Kinder eines Horts. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von dieser Tat erfuhren?
In der Schweiz ist es bisher noch nie zu einem solchen oder ähnlichen Fall gekommen. In England passierte unlängst etwas Ähnliches. Ein 17-Jähriger stach bei einer Tanzveranstaltung wahllos auf Mädchen und Betreuerinnen ein. Das Muster ist nicht ganz unbekannt. Dass Kinder Opfer sind, ist hingegen schon sehr selten.
Der Täter (siehe Box unten) verletzte Kinder und postete vor seiner Tat auf Instagram einen wirren Text über sexuelle Fantasien und eine Frau, die er vermisse. Könnte auch ein pädophiles Tatmotiv dahinterstecken?
Einen Bezug zur Pädophilie würde ich nicht machen. Auch in der Literatur gibt es keine solchen Anhaltspunkte. Pädophile reagieren nach einem Frust nicht amokartig. In diesem Fall waren wohl Kinder betroffen, weil sie als schwache Mitglieder der Gesellschaft geeignete Opfer sind. Ich nehme an, dass die Aggression des Täters zum Zeitpunkt der Attacke das Maximum erreicht hatte und er in der Nähe etwas suchte, um sich abzureagieren.
Wieso reagiert jemand auf Liebeskummer mit Gewalt gegen andere Menschen?
Die Sexualität ist das Gegengewicht zur Aggression. Sexuelle Erfolgserlebnisse können unter Umständen Aggressionen dämpfen. Der Täter befindet sich mit 23 Jahren in einer Phase, in der der Testosteronspiegel am höchsten ist. Gleichzeitig ist das männliche Gehirn noch nicht ganz ausgereift – es braucht noch zwei Jahre, bis der Frontallappen die volle Reife erreicht hat. In dieser Zeit herrscht ein Missverhältnis zwischen hormonell gesteuerten Aggressionen und Selbstkontrolle. Kommen weitere Faktoren wie Frustration, Isolation und Entwurzelung dazu, kann es das Fass zum Überlaufen bringen.
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Der Chinese hat laut Studentinnen und Studenten zurückgezogen in seiner 1-Zimmer-Wohnung in einer Liegenschaft des Jugendwohnnetzes JUWO gewohnt.
Ostasiaten sind dafür bekannt, sehr stark in ihrer Familie integriert zu sein. Die Gesellschaft in China ist im Vergleich zur westlichen weniger individualistisch. Darum ist die Gefahr, in eine Krise zu stürzen, grösser, wenn sie alleine in der Fremde sind und einen Misserfolg erleben.
Gerade Asiaten sind aber bekannt für ihre Zurückhaltung und Höflichkeit.
Dennoch stammt der Amokbegriff ursprünglich aus Asien, genauer aus dem malaiischen Raum. Im 15. Jahrhundert erreichte der Begriff die westliche Welt, als die ersten Europäer aus Südostasien zurückkehrten. Damals versuchten junge Bauernsöhne in der Stadt ihr Glück. Nach amourösem Scheitern und aufgrund ihrer persönlichen Hoffnungslosigkeit fingen manche an, ihren Umkreis mit improvisierten Waffen zu attackieren.