Papis packen bei der Kinderbetreuung immer mehr mit an. Sie sind unter der Woche auf dem Spielplatz anzutreffen, holen ihr Kind von der Schule ab und kochen Zmittag. Auch ist es für manche Männer selbstverständlich, mit Babytrage um den Bauch auf den Familienausflug zu gehen. Die aktuellsten Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) belegen den Trend: 2021 stieg der Anteil der Väter, die nach der Geburt des ersten Kindes Teilzeit arbeiten, auf über 13 Prozent an.
Geht es jedoch darum, sich um fremde Babys zu kümmern, haben die Männer noch viel Aufholpotenzial, wie für ZüriToday ermittelte Zahlen des Schweizerischen Roten Kreuzes zeigen. Lediglich rund zehn Prozent der Teilnehmer des Babysitter-Kurses für Jugendliche des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) im Kanton Zürich waren im Jahr 2023 männlich.
Nur Frauen im Nanny-Kurs
2023 besuchten schweizweit 8500 Personen einen Babysitter-Kurs. Das SRK erhebe den Anteil der Geschlechter auf nationaler Ebene nicht regelmässig und systematisch, sagt SRK-Mediensprecherin Ursula Luder. «Auf nationaler Ebene bewegt sich die Männerquote verglichen mit Zürich aber auf ähnlichem Niveau.» Darauf deute eine Umfrage hin, die sie via ihrer Babysitter-App gemacht hätten.
Im Lehrgang Nanny bereiten sich die Teilnehmenden auf einen beruflichen Einstieg im Bereich der Kinderbetreuung in der Familie und auf den Job als Nanny vor. Dort wird noch deutlicher, dass die Betreuung fremder Kinder nach wie vor reine Frauensache ist: Rund 30 Personen besuchten 2023 den Kurs – alle waren weiblich.
«Kunden bevorzugen eine Frau»
Anne Tobien vermittelt im zürcherischen Küsnacht mit ihrer Agentur Lampentasche Nannys. Bei den Nannys für Festanstellungen sind es pro Jahr 40 bis 60. Männliche Bewerber sind bei ihr rar. «In der Regel bekomme ich, wenn dann überhaupt, nur eine Bewerbung von einer männlichen Person pro Monat oder teilweise auch gar keine», sagt sie. Bisher habe sie noch «keinen einzigen Manny» vermittelt.
Von ihrer Seite sei sie sehr offen für männliche Bewerber, sagt Tobien. «Sehr häufig habe ich jedoch die Vorgabe von meinen Kunden, dass sie eine Frau bevorzugen.» Generell habe sie das Gefühl, dass es bei Mannies und männlichen Babysittern gerade aus Sicht der Eltern immer noch eine Hemmschwelle gebe.
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Intensiv mit solchen Themen beschäftigt sich Julia Panknin, Journalistin, Speakerin und Beraterin mit Fokus auf die Gleichstellung der Geschlechter sowie Vereinbarkeit von Kind und Karriere. «Wir leben nach wie vor in einer Gesellschaft, in der Care-Arbeit von der Mehrheit als Frauensache wahrgenommen wird», sagt Panknin, die auch Gründerin der Plattform mamibrennt.com ist. Die Wurzeln dieser Überzeugung liege in unserer Sozialisierung. «Schon als Kinder beobachten wir, dass es meist Frauen sind – sprich Mamas, Schwestern, Tanten, Grossmamis –, die sich um alles, was mit den Kindern zu tun hat, kümmern.» Dies sei selbst der Fall, wenn sie einer Lohnarbeit nachgingen.
«Diese klassischen Rollenbilder, die wir alle mehr oder weniger verinnerlicht haben, werden von den noch gegebenen Rahmenbedingungen unseres Systems gestützt», sagt Panknin. Als Beispiel dafür erwähnt sie die fehlende Elternzeit und die hohen Kosten für familienergänzende Kinderbetreuung.
«Sorgen sich, Söhne könnten als ‹Weicheier› wahrgenommen werden»
Panknin macht auch die eigene Erziehung für die dünn gesäten männlichen Babysitter und Mannys verantwortlich. Selbst als überzeugte Feministin sei es für sie jeden Tag eine Herausforderung, ihre verinnerlichten Rollenbilder nicht «aus Versehen» an ihre Tochter weiterzugeben. «Bis heute sträuben sich leider nicht wenige Eltern aus Angst um ihre Kinder gegen eine geschlechterneutrale Erziehung.» So verheimlichten oder unterbänden es einige Eltern, wenn ihre Söhne gerne mit Puppen spielten. «Weil sie sich sorgen, ihre Söhne könnten als ‹Weicheier› wahrgenommen werden und deshalb Probleme bekommen.»
Damit geben Eltern laut Panknin den Buben jedoch das Gefühl, etwas falsch zu machen. «Solche Botschaften hängen sich im kindlichen Unterbewusstsein fest und haben auch Einfluss auf das spätere Verhalten.» Mädchen würden heute zum Glück vermehrt vermittelt bekommen, dass sie alles werden und erreichen könnten. «Derweil bleiben Jungs in diesem Bereich oft auf der Strecke.»
Triebtaten als Problem
Panknin stellt fest, dass Buben immer noch zu oft eingetrichtert wird, dass sie «richtige» Männer werden sollen. «Und das passt mit einer Tätigkeit als Babysitter für viele wohl nicht zusammen.» Ändern lasse sich dies nur, indem sich die Gesellschaft von den veralteten Rollenbildern verabschiede. Und sie ist zuversichtlich: «Wir sind bereits auf einem guten Weg, was sich unter anderem an der steigenden Anzahl Väter zeigt, die sich heute aktiv in die Kinderbetreuung einbringen.»
In den letzten Jahren machten Kita-Betreuer Schlagzeilen, die sich an Kindern vergingen. Julia Panknin glaubt nicht, dass vor allem negative News über männliche Betreuer Bedenken oder gar Ängste auslösen. «Schliesslich gibt es weltweit auch immer wieder Fälle von weiblichen Kita-Angestellten, die Kinder misshandeln, missbrauchen oder sogar umbringen.»
Sicher nicht in die Karten spielt männlichen Babysittern oder Betreuern laut Panknin jedoch die Tatsache, dass Triebtaten im Allgemeinen zu 90 Prozent von Männern verübt werden. «Die Möglichkeit, seine Kinder der Gefahr eines sexuellen Missbrauchs auszusetzen, ist bei männlichen Betreuern also grundsätzlich höher und das kann natürlich Bedenken auslösen.»