Referendum zur Elternzeit

Am 15. Mai stimmt Zürich ab - Doch wie stehts um die Elternzeit im Ausland?

· Online seit 19.04.2022, 07:04 Uhr
Der Kanton Zürich stimmt am 15. Mai über einen Ausbau der Elternzeit ab. Gestartet hatte die Initiative die SP. Doch wie sieht es eigentlich in anderen Ländern aus? Hinkt die Schweiz tatsächlich deutlich hinterher?
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Nicht lange ist es her, dass das neue Gesetz zum Vaterschaftsurlaub in Kraft getreten ist: Seit dem 1. Januar 2021 gibt es hier eine neue Regelung. Nichtsdestotrotz lancierte die SP jüngst eine Initiative, die fix 18 Wochen Elternzeit fordert. Ob diese es tatsächlich zum Gesetz schafft, entscheiden die Zürcher Bürgerinnen und Bürger Mitte Mai.

Derzeit gibt es in der Schweiz bei Geburt eines Kindes 14 Wochen Mutterschutz und zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Durch die neue Regelung könnten Eltern 18 Wochen Urlaub erhalten und vor allem selber entscheiden, wer wann beim Nachwuchs bleibt. Damit wolle man verhindern, dass Paare in festgefahrene Rollenbilder rutschen. Auch die Erwerbsmöglichkeit von Frauen soll mit der Initiative gestärkt werden.

Eines der meistgenannten Argumente ist jenes, dass die Schweiz sowieso schon gewaltig hinterhinke was den Elternurlaub betrifft. Zürich müsse eine Vorreiterrolle einnehmen. Doch stimmt das wirklich? Ist die Schweiz hier zögerlich unterwegs? Wie steht es um die Elternzeit in anderen Ländern? Soviel vorweg: Die Vergleiche zwischen den einzelnen Ländern sind nicht ganz so einfach, da es dutzende verschiedene Systeme gibt. Manche davon arbeiten zum Beispiel mit Anreizen spezifisch für Männer. Wie etwa Finnland.

Finnland mit besonderem System für Väter

Eine interessante Regelung gibt es in diesem skandinavischem Land. Hier erhalten Väter 54 Tage Urlaub bei 70 Prozent ihres vorherigen Lohns. Dieser Urlaub kann aber nur unmittelbar nach der Geburt des Kindes genommen werden. Damit wolle man verhindern, dass nur die Mütter bei den Kindern bleiben und so den Anschluss im Berufsleben verlieren.

Auch in Litauen und Spanien dürfen sich Väter gleich doppelt auf die Geburt freuen. Hier erhalten sie vier Wochen Urlaub bei vollem Gehalt. Ähnlich schaut es in Slowenien aus. Hier gibt es einen Monat Urlaub, davon zwei Wochen bei vollem Gehalt. Für den Rest erhält man eine Pauschale.

Noch schlechter als die Schweiz?

Besonders kurz ist der Vaterschaftsurlaub in Malta. Hier steht Vätern nur ein einziger Tag Vaterschaftsurlaub zur Verfügung. Es sei denn sie arbeiten im öffentlichen Dienst. Dann winken fünf. In Luxemburg und Griechenland schaut es nicht viel besser aus. Hier gibt es lediglich zwei Tage Urlaub für Väter, in Ungarn sind es fünf und in Italien sieben. Es gibt also auch in Europa Länder, die mit weniger Vaterschaftsurlaub auskommen als die zwei Wochen in der Schweiz.

Mutterschutz in Nachbarländern deutlich höher 

Einen deutlichen Unterschied zur Schweiz erkennt man aber beim Blick auf den Mutterschutz, also die Zeit, die Frauen bei der Geburt freinehmen dürfen und dennoch Gehalt erhalten. Europaweit den längsten Mutterschutz gibt es in Bulgarien, wo Müttern 58,5 Wochen bei 90 Prozent des Gehalts gezahlt werden.

Dicht gefolgt wird Bulgarien von Grossbritannien: Hier gibt es 52 Wochen Mutterschutz. In den ersten sechs Wochen bei 90 Prozent des Gehalts. Danach gibt es nur mehr eine Pauschale von etwa 150 Franken pro Monat. Aber auch andere europäische Länder haben deutlich längere Mutterschaftsperioden als die Schweiz. So gibt es in der Slowakei 34 Wochen, in Tschechien 28, in Irland 26, in Ungarn 24, in Italien 22 und in Estland oder Polen je 20 Wochen.

Deutschland als Vorbild?

In Deutschland hat jeder Elternteil einen Anspruch auf bis zu drei Jahre Elternzeit zur Betreuung und Erziehung seines Kindes. Für die ersten zwölf Monate erfolgt der Gehalt dabei durch den Staat in Form von Elterngeld.

Den Eltern stehen gemeinsam insgesamt 14 Monate Basiselterngeld zu, wenn sich beide an der Betreuung beteiligen und ihnen dadurch Einkommen wegfällt. Dabei können sie die Monate frei untereinander aufteilen. Ein einziger Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate für sich in Anspruch nehmen - und das bei in der Regel 65 Prozent des bisherigen Gehalts. Wichtig: Geringverdienende bekommen in Deutschland mindestens 300 Euro, maximal zahlt der Staat 1800 Euro monatlich.

Sogar noch besser sieht es für Eltern in einem anderen Nachbarland der Schweiz aus. In Österreich können Eltern bis zum zweiten Geburtstag des Kindes zu Hause bleiben und bekommen je nach Zeitraum einen unterschiedlichen Anteil des Gehalts. Maximal gibt es 80 Prozent.

An der Spitze bei der Elternzeit steht Rumänien mit zwei Jahren Elternzeit pro Kind bei 85 Prozent des Lohns. Ähnlich rosig und deutlich anders als in der Schweiz geht es in Litauen zu: Dort bekommen Eltern Urlaub bis das Kind drei Jahre alt ist. Die ersten 52 Wochen sogar bei 100 Prozent des Gehalts. Auch weltweit stehen diese Länder mit diesen Regelungen an oberster Spitze.

Schlusslichter neben der Schweiz?

Am wenigsten Geld gibt es europaweit für spanische und portugiesische Eltern. Nach 16 Wochen Wochen Mutterschutz und vier Wochen Vaterschaftsurlaub gibt es keinen Rappen mehr. Auch in Frankreich oder Portugal reicht das Elterngeld nach dem Urlaub in der Regel nicht aus, um alle Kosten zu decken, weshalb nach den 16 Wochen Mutterschutz normalerweise wieder regelmässig gearbeitet wird. Europäische Schlusslichter also und dennoch bessere Bedingungen für Eltern als in der Schweiz.

Weltweit ganz unten?

Ein bezahlter Mutterschutz ist fast überall auf der Welt Standard. Ausnahmen bilden insgesamt neun Länder. Hierzu zählen zum Beispiel die Marshallinseln oder auch Papua-Neuguinea – aber auch die USA. Wer in den Vereinigten Staaten ein Kind bekommt und vertraglich keine Elternzeit geregelt hat, muss hierfür seinen Jahresurlaub aufwenden.

veröffentlicht: 19. April 2022 07:04
aktualisiert: 19. April 2022 07:04
Quelle: ZüriToday

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