«Mussten mehrmals die Polizei rufen»

Aggressive Kunden und Stress bringen Zürcher Apotheken an ihre Grenzen

· Online seit 19.07.2022, 06:57 Uhr
Apotheken leiden derzeit an Personalmangel. Grund ist laut Branchenverband der hohe Arbeitsdruck – auch über aggressive Kunden beschwert sich das Apothekenpersonal. Die ersten Filialen mussten wegen fehlender Arbeitskräfte bereits schliessen.
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Die Coronapandemie hat viele Branchen hart getroffen: Sie erlitten Einnahmeausfälle und Lieferengpässe. Dazu kam Personal, das sich gezwungen sah, die Branche zu wechseln. Obwohl Apotheken eigentlich von der Pandemie profitierten, klagen sie nun ebenfalls über Nebenwirkungen. Der Personalmangel ist bei ihnen jedoch nicht auf Schliessungen während der Lockdowns zurückzuführen, sondern vielmehr auf die hohe Arbeitsbelastung – und die Aggressivität von Kunden während der Pandemie.

Die Apotheke ApoDoc bei der Hardbrücke in der Stadt Zürich muss wegen des Personalmangels sogar ihre Öffnungszeiten anpassen. «Bis Mitte Juli konnten wir den Engpass überbrücken», heisst es in einem Schreiben der Apotheke an ihre Kundinnen und Kunden. «Danach sind wir gezwungen, Betriebsferien zu machen und die Öffnungszeiten anzupassen, um den Betrieb der Apotheke aufrecht erhalten zu können.»

«Vor Corona war unser Team dreimal so gross wie heute»

80 Prozent der Mitarbeitenden, die vor der Pandemie in ihrem Team gearbeitet hätten, seien mittlerweile nicht mehr da, erzählt Maria Hitziger, Geschäftsführerin der ApoDoc-Apotheke. «Für viele war der Stress zu viel und sie waren überlastet.» Vor Corona sei ihr Team dreimal so gross gewesen wie heute, sagt Hitziger weiter.

Das Impfen und das Testen hätten zwar Abwechslung in den Arbeitsalltag gebracht – aber auch eine noch nie dagewesene Kundenflut. Ausserdem seien zeitweise sämtliche Telefonleitungen besetzt gewesen. «Kundinnen und Kunden beschwerten sich teils bei uns, weil sie uns den ganzen Tag nicht erreichen konnten.»

«Wir mussten mehrere Male die Polizei rufen»

Nebst dem Stress habe dem Personal laut Maria Hitziger auch die aggressive Art einiger Kundinnen und Kunden zu schaffen gemacht. «Wir mussten mehrere Mal die Polizei rufen, weil unser Personal angegriffen wurde. Mehrmals haben wir Anzeige erstattet.» Natürlich sei die ganze Bevölkerung wegen der Pandemie verunsichert und teils gestresst gewesen. Trotzdem hätten solche Vorfälle sicherlich auch dazu beigetragen, dass sich das Personal teils gegen die Arbeit in der Apotheke entschieden habe.

Im Kanton Zürich mussten bisher zwei Apotheken schliessen, weil das verbliebene Personal das Geschäft nicht allein stemmen konnte. Das sei bedauerlich, sagt Lorenz Schmid, Präsident des Zürcher Apothekerverbands. «Die Öffentlichkeit sprich oft vom Personalmangel in den Spitälern – wir haben mit genau den gleichen Problemen zu kämpfen», so Schmid weiter.

Angepasste Öffnungszeiten sollen helfen

Laut Schmid reagieren auch weitere Apotheken mit angepassten Öffnungszeiten auf den Personalmangel. «Wir glauben, dass unsere Branche attraktiv genug ist und auch viel Nachwuchs erwarten darf.» Noch mehr Schliessungen oder eine Verschärfung der jetzigen Lage erwartet er nicht.

Auch Maria Hitziger ist überzeugt, dass die angepassten Öffnungszeiten in der ApoDoc Apotheke für Entlastung sorgen werden. Ausserdem seien die meisten Begegnungen mit der Kundschaft sehr angenehm und der viele Kundenkontakt ein grosses Plus an der Arbeit in der Apotheke. An zahlreichem Nachwuchs sei deswegen nicht zu zweifeln.

veröffentlicht: 19. Juli 2022 06:57
aktualisiert: 19. Juli 2022 06:57
Quelle: ZüriToday

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