Zum Unabhängigkeitstag

So ist die Lage nach 6 Monaten Krieg in der Ukraine

· Online seit 24.08.2022, 06:16 Uhr
Der ukrainische Unabhängigkeitstag bietet in diesem Jahr wenig Grund zum Feiern. Vor genau sechs Monaten begann die russische Invasion. So ist die Lage nach einem halben Jahr Krieg.
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Heute feiert die Ukraine ihren Nationalfeiertag. Vor 31 Jahren, am 24. August 1991, erklärte das ukrainische Parlament die Unabhängigkeit des Landes und ebnete so seinen Weg für die Loslösung von der Sowjetunion.

Grund zur Freude hat die Ukraine im Jahr 2022 wenig. Seit der russischen Invasion, die heute ebenfalls genau sechs Monate zurückliegt, befindet sich das Land im Strudel eines militärischen Konflikts, der zehntausende Opfer, Millionen Vertriebene und eine schwere internationale Krise zur Folge hatte.

Die Reihe der Schreckensnachrichten seit Kriegsausbruch ist lang. Von der Eskalation in einen nuklearen Konflikt, von Hungersnöten durch blockierte Getreidelieferungen, von drohenden Atomunfällen, von Kriegsverbrechen und sogar vom Ausbruch eines dritten Weltkriegs war zu lesen. Bislang sind die schlimmsten Szenarien nicht eingetreten, doch auch von einer Beilegung liegt der Krieg in der Ukraine noch weit entfernt.

Die militärische Lage

Nachdem die russischen Streitkräfte in den ersten Tagen der Invasion grosse Geländegewinne verzeichnen konnten und verschiedene Orte in der Ukraine mit Raketen beschossen hatten, schaffte es das angegriffene Land schliesslich, den Vormarsch Moskaus zu stoppen und Teile des Landes im Norden und Nordosten zurückzuerobern.

Auch die Hauptstadt Kiew, die Russlands Armee bereits erreicht hatte, war bis Mitte April wieder ganz in ukrainischer Hand. Entgegen vieler Erwartungen schaffte es das Land damit, sich dem viel grösseren Invasor entgegenzustellen.

In der Folge verlagerte sich der militärische Schwerpunkt des Krieges in den Osten und Südosten der Ukraine. Von den abtrünnigen Provinzen und selbsternannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk her kommend, setzt Russland das ukrainische Militär seither unter Druck. Es erobert dabei immer wieder Ortschaften, ohne allerdings grössere Geländegewinne zu verzeichnen. Die Ukraine hat ihrerseits eine Offensive in Richtung Süden gestartet.

Angriffe hinter feindlichen Linien

Durch den relativen Stillstand an den Fronten besteht der Krieg heute vor allem aus gegenseitigem Beschuss und Spezialoperationen. Nach Angaben des Kommandeurs der ukrainischen Armee beschiesst Russland die eigenen Stellungen 700 bis 800 Mal pro Tag. Zudem schlagen immer wieder Geschosse in ukrainischen Ortschaften ein, die zivile Opfer fordern.

Die Ukraine auf der anderen Seite beschiesst russische Stellungen und Nachschubwege in den besetzten Gebieten mit Artillerie und Raketen. Zugenommen haben auch Aktionen hinter den feindlichen Linien. So kam es in den letzten Wochen immer wieder zu aufsehenerregenden Explosionen auf der russisch besetzten Halbinsel Krim und in Russland selbst, deren Hintergründe unklar bleiben.

Quelle: CH Media Video Unit / Melissa Schumacher

Neuer Kalter Krieg mit Russland

Gleichzeitig hat sich durch den Krieg ein Konflikt zwischen den mit der Ukraine verbündeten Staaten auf der einen – und Russland sowie seinen Unterstützern auf der anderen Seite eingestellt. Vor allem die USA liefern der Ukraine Kriegsmaterial im Wert von vielen Milliarden US-Dollar und haben Russland mit massiven Wirtschaftssanktionen belegt. Viele europäische Staaten haben sich dem angeschlossen.

Aus russischen Medien und Regierungskreisen werden im Gegenzug immer wieder Drohungen gegen den Westen ausgesprochen, teilweise mit dem Hinweis auf das nukleare Waffenarsenal Russlands. Diplomatie hat es in diesem Umfeld schwer. Als Erfolg galt das im Juli zustande gekommene Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide durch das Schwarze Meer. Weitere Gespräche unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen sollen folgen.

Quelle: CH Media Video Unit / Melissa Schumacher

Ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht

Der Krieg in der Ukraine dürfte unter diesen militärischen und politischen Bedingungen kein rasches Ende finden. Weder Russland noch die Ukraine würden in diesem Jahr wohl eine entscheidende militärische Aktion durchführen können, sagte vor kurzem Jim Hockenhull, der Leiter des britischen Militärgeheimdienstes, gegenüber der «BBC». Doch warnte er auch davor, den Konflikt in schwarz-weiss zu sehen. Viele Szenarien seien möglich.

Zugleich besteht in Kiew Nervosität wegen möglicher russischer Raketenangriffe auf ukrainische Städte am Unabhängigkeitstag. Der ukrainische Militärgeheimdienst mahnte die Bürgerinnen und Bürger zu erhöhter Vorsicht. Die US-Botschaft in Kiew forderte die amerikanischen Staatsbürger auf, die Ukraine zu verlassen. Es sei mit Angriffen auf zivile Infrastrukturen zu rechnen. Dennoch fand Selenskij noch am Dienstagabend klare Worte: Die Ukraine werde Russland «auf die Fresse» geben.

(sda/osc)

veröffentlicht: 24. August 2022 06:16
aktualisiert: 24. August 2022 06:16
Quelle: Today-Zentralredaktion

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