Alle Jahre wieder

Wie du Konflikte an Weihnachten überstehst oder gar vermeidest

23.12.2022, 09:16 Uhr
· Online seit 12.12.2022, 07:56 Uhr
Die Weihnachtszeit soll besinnlich sein, das Fest der Familie – ruhig und erholsam. Am Ende knallt es aber bei vielen dann doch irgendwie. Entweder an Heiligabend oder schon in der Vorweihnachtszeit. Ein Experte erklärt, wie du an Weihnachten dem Konflikt entgehen oder so richtig reingehen kannst.
Anzeige

Dass es gerade an Weihnachten häufiger zu Familienfehden kommen kann, ist allgemein bekannt. Keine Zeit im Jahr birgt mehr Konfliktpotenzial als die Weihnachtszeit. Sei es das Thema Weihnachtsessen, Klimawandel, Gender Gap oder Rassismus – ein Fettnäpfchen jagt den nächsten Trigger – all das kann Spannungen zwischen den jeweiligen Familienmitgliedern schüren.

Dazu kommt auch noch die unweigerlich gleichförmige Choreografie der Weihnachtszeit. Bereits Monate vorher wird auf die Weihnachtszeit eingestimmt, überall schneit und glitzert es und stets wird ein Bild völliger Harmonie und Besinnlichkeit zelebriert, welche sich bis zu Heiligabend potenziert. Treten dann diese friedvollen Erwartungen nicht ein, dann wird gestritten, was das Zeug hält.

«Grundsätzlich sind die meisten Familien damit konfrontiert. Dabei gilt es auch die unterschiedlichen Familienkulturen zu berücksichtigen. Die einen sind eher lebhaft, da wird viel diskutiert und auch mal gestritten, während andere Familien den Konflikten eher aus dem Weg gehen und Streitereien kaum aushalten können», erklärt Bernhard Kocher, Psychologe und Psychotherapeut einer Beratungsstelle in Zofingen.

Abgesehen davon seien die Vorstellungen von Heiligabend verbunden mit einer grossen Portion Besinnlichkeit, Harmonie und Friedfertigkeit meist deutlich überhöht. «Zuerst liegt die Aufgabe bei einem selbst und die eigenen Erwartungen deutlich herunterzuschrauben», so Kocher. Ausserdem soll die natürliche Familiendynamik nicht gestört werden. «Eine lebhafte, streiterprobte Familie wird an Weihnachten nicht plötzlich ganz leise und konfliktscheu.»

Daher gilt es vorab genau abzustimmen, was geht und vor allem auch was nicht geht. So können schon viele Konflikte vermieden werden. Allerdings geht das nicht immer. Der Experte erklärt uns, was am besten zu tun ist, wenn man mitten im Konflikt steckt, welche Möglichkeiten bestehen, um Streitereien direkt zu unterbinden oder diese gar zu vermeiden.

Wie kann ich Streit an Weihnachten vermeiden? 

Kommunikation steht da an erster Stelle. «Im besten Fall werden schon vorab die Erwartungen besprochen. Das ist nicht für jeden ganz einfach, weil es eine gewisse Offenheit bedingt und Grenzen aufzeigt», sagt Kocher. Als Beispiel führt er an, dass es völlig in Ordnung gehe, dass Weihnachtsfest an einen anderen Ort zu verlegen, das traditionelle Fondue Chinoise durch vegane Canapé zu ersetzen und Traditionen zu hinterfragen. «Aber auch das Mass an Empathie aufbringen, wenn die andere Seite nicht sofort auf den Zug aufspringt und Weihnachten in bekannter Form feiern will», fügt der Psychologe an. Dafür sei es aber wichtig, diese Themen nicht erst Ende November anzusprechen, sondern schon im Herbst. «Dann haben die betroffenen Personen Zeit, sich an das Neue zu gewöhnen.»

Darüber hinaus hebt Kocher hervor, dass Konfliktvermeidung immer bei einem selbst anfängt. «Man soll sich darüber im Klaren sein, was man will und was man braucht.» Daneben brauche es ausreichend Toleranz, Rücksichtnahme und Respekt vor den Grenzen des anderen. Diese Bausteine könne man kontrollieren. «Die Reaktionen meines Gegenübers kann ich allerdings nicht beeinflussen.» Daher empfiehlt der Psychologe, eine Haltung zu entwickeln, die einen unterstützt und trägt, wenn man provoziert oder einem nicht richtig zugehört wird. «An dieser Stelle hilft es, das Problem gleich anzusprechen. Und auch zuzugeben, dass das gerade verletzt

Wie kann ich einen Konflikt entkräften? 

Doch nicht immer lässt sich ein Konflikt umgehen. Wer kennt es nicht: Da nimmt man sich vor, sich diesmal nicht provozieren zu lassen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Und plötzlich steckt man mittendrin. Oder ist Zeuge eines hitzigen Familienstreites. Dafür gibt der Experte folgende Möglichkeiten an die Hand. «Wenn ich einen Konflikt beobachte und feststelle, dass es in eine Richtung geht, die ich nicht gut finde, dann kann ich sehr gut einschreiten und die Diskussion entschärfen. Wichtig ist dabei, beide Positionen wahrzunehmen und sie anzusprechen, – sie sichtbar zu machen.» Sollte ich allerdings Teil des Gesprächs sein, habe ich ebenfalls die Möglichkeit, den Konflikt zu verlagern. «Hier kann man vorschlagen, dass Gespräch für einen Spaziergang oder eine Zigarette zu unterbrechen, um die Situation verlassen zu können. So lassen sich meist die Emotionen etwas runterkochen», meint Kocher. Meist wisse man schon im Voraus, auf welche Themen man anspringe und die könne man versuchen, zu umgehen. «Ist das nicht möglich, hilft immer noch ein Abwägen, ob mir dieser Streit gerade es wert ist, dass ich mich aufrege. Wenn ja, dann rein in den Konflikt. Wenn nein, dann lieber eine Runde spazieren gehen», empfiehlt hier der Psychologe.

Wie kann ich eine gute Diskussion führen?

Ein wichtiger Pfeiler hierbei sei das genau Zuhören. Und das könne man nur, wenn man sich aufmacht für anderen Meinungen und sich auch interessiert zeigt. «Den anderen in seiner Haltung und Meinung ernst nehmen, Respekt zollen und nicht entwerten.» Ausserdem helfe es, wenn man davon abkommt, den anderen überzeugen zu wollen, fasst Kocher zusammen. Es gibt durchaus heikle Themen wie Corona, Klima, Krieg und dazu unterschiedliche Meinung: «Wenn ich mir bewusst werde, dass meine Wahrheit nicht unbedingt die des anderen ist, sind die Grundlagen für ein gutes Gespräch gegeben», sagt Kocher. Es soll als Austausch verstanden werden und nicht als Mission.

veröffentlicht: 12. Dezember 2022 07:56
aktualisiert: 23. Dezember 2022 09:16
Quelle: ArgoviaToday

Anzeige
Anzeige
zueritoday@chmedia.ch