Interview

Filmkritiker Alex Oberholzer beleuchtet die Oscars 2022

26.03.2022, 00:20 Uhr
· Online seit 25.03.2022, 09:04 Uhr
Zum ersten Mal seit 2018 finden die Oscars wieder mit Moderierenden statt. Alles rund um die Erneuerungen sowie die Chancen der Schweiz an den Academy Awards hat Radio-24-Moderator Remo Kaufmann von Kinoexperte Alex Oberholzer erfahren.
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Alex, wie gross ist deine Vorfreude und schaust du die Oscars immer live?

Die Vorfreude ist schon da, aber ich gebe zu, sie ist weniger gross als auch schon. Wegen Corona hat es einfach weniger grosse Produktionen im Rennen. Das drückt etwas auf die Euphorie. Und live schaue ich sie nur fürs Radio. Die Zusammenschnitte sind meistens unterhaltsamer.

Werden die diesjährigen Oscars wieder ganz normal ablaufen wie vor der Pandemie? Also mit vollem Haus und KlimBim oder gibt es grössere Änderungen?

Nein, es gibt schon Änderungen. Zum ersten Mal seit 2018 sind sie zum Beispiel wieder moderiert. Drei Frauen führen durch das Programm und es gibt einen Publikumspreis. Den hat es noch nie gegeben. Übers Internet und Twitter kann das Publikum seinen Lieblingsfilm wählen. Dadurch erhofft man sich eine höhere Einschaltquote. Zudem bemühe man sich offenbar Wolodymyr Selenskyji live dazu zu schalten.

Noch kurz für die Menschen, die keine Ahnung von der Materie haben: Wer bestimmt die Nominierten und wird dabei die ganze Welt miteinbezogen?

In Frage kommen alle Filme, die in LA im Vorjahr mindestens drei Tage im Kino gelaufen sind. Dazu schickt jedes Land seinen Film ein und darauf folgt eine erste Vorselektion. Nach der Vorselektion folgt die Shortlist und aus dieser wählt die Academy die Nominierten pro Kategorie. Das sind an der Zahl meistens fünf. Aus diesen fünf kürt die Academy schlussendlich die grossen Gewinner des Abends.

Du sprichst die neuen Kategorien an, die die Einschaltquoten pushen sollen. Ist das in deinen Augen sinnvoll? Einzelne grössere Filme könnten ja durch diese viele Promo einen Vorteil gegenüber anderen haben?

Die Oscars sind immer gut für eine Auswertung im Kino. Es ist natürlich spannend zu sehen, ob Publikum und Academy den gleichen Geschmack haben. Also ob derselbe Film beide gleichermassen begeistert.

Welcher Film gewinnt und welcher wäre dein Favorit?

Den Off-Oscar gewinnt «The Power of de Dog», ein Western von Jane Campion. Mit zwölf Nominationen ist er der totale Academy-Favorit.

Was bedeuten die Oscars im Jahr 2022 eigentlich noch? Die Einschaltquoten haben stark abgenommen und ich würde behaupten, die meisten von uns schauen sie sowieso nur noch wegen der Stars und was sie für Kleider zur Schau tragen. Die Filme kennt man die meisten ja gar nicht.

Die Kinoindustrie hat schon sehr gelitten in den Corona-Jahren und das spiegelt sich selbstverständlich auch in den Oscar-Verleihungen wider. Das Interesse ist schon letztes Jahr eingebrochen und ich denke, dass dieser Trend anhält.

Hast du alle Filme gesehen oder hast du Tipps, wie man diese vorher sehen kann? Du hast ja sicherlich Beziehungen zu Hollywood. 

Nein, Beziehungen zu Hollywood habe ich keine. Die Filme kann man bei uns erst schauen, wenn sie einen Schweizer Verleiher haben und sie bei uns in die Kinos kommen. Aber allein 19 der nominierten sind Netflix-Filme und diese sind schon längst auf dem Markt und verfügbar – einfach mit einem Abo.

Ein Kurzfilm aus Zürich ist für die Oscars nominiert. Hast du den schon gesehen und wie gross schätzt du die Chancen der Schweiz ein, dieses Jahr einen Oscar zu gewinnen?

Ich hab ihn gesehen. Der Kurzfilm «Alu Kachuu» wird aus der Sicht einer jungen Kirgisin erzählt, die verschleppt und zwangsverheiratet wird. Die Regisseurin, Maria Brendle, ist Deutsche. Sie hat aber an der ZHDK Film studiert und lebt seither in Zürich. Ich kenne die Konkurrenz nicht und kann das daher nicht beurteilen. Vom Thema her hat der Film aber durchaus eine Chance.

Was bringt eine solche Nominierung oder gar ein Oscar dem Film und den Machern? Millionen auf dem Konto oder nur Fame?

Für die Auswertung des Films nützt es enorm. Es ist nach wie vor das wichtigste Marketing-Instrument für einen Film und ja, die Regisseure und Darstellerinnen der Hauptkategorie macht ein Oscar sicher zu Millionären. Ehre und Ruhm gibts dazu.

(Remo Kaufmann/roa)

veröffentlicht: 25. März 2022 09:04
aktualisiert: 26. März 2022 00:20
Quelle: ZüriToday

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