Para-Cycling

«War ein extrem emotionaler Moment» – Zürcherin Flurina Rigling gewinnt EM-Gold

· Online seit 31.05.2022, 11:32 Uhr
Die Silbermedaille im Zeitfahren am Vortag war noch nicht das Highlight. Flurina Rigling krönte sich im Strassenrennen am Samstag zur Europameisterin im Para-Cycling. Im Interview beschreibt die Zürcherin diesen emotionalen Moment und spricht über weitere Ziele.
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An den Europameisterschaften des Para-Cycling schnappte sich Flurina Rigling gleich zweimal einen Podestplatz. Im Zeitfahren am Freitag im österreichischen Lochen am See musste sich die 26-Jährige nur von der Deutschen Maike Hausberger geschlagen geben und beendete das Rennen auf dem starken zweiten Platz. Am Samstag im Strassenrennen in Gaspoltshofen hatte die Radrennfahrerin aus Hedingen stets die Nase vorn. Rigling konnte einen guten Vorsprung herausfahren und gab die Goldmedaille nicht mehr her.

Eine riesige Belohnung

Als Rigling über die Ziellinie fuhr und wusste, dass sie Gold holte, sei es «ein extrem emotionaler Moment gewesen», erzählt sie im Interview mit ZüriToday. «Ich hatte riesige Freude und gleich danach überkamen mich die Freudentränen.» Es sei eine grosse Belohnung für alles, was sie investiert hatte.

Viele Emotionen konnte sie sofort aufsaugen, sie sei aber auch jetzt noch daran, das Erreichte wirklich zu realisieren. «Ich fuhr lange alleine vorneweg, da kommt auch der Gedanke, dass es Gold geben könnte. Gleichzeitig weiss man aber auch, dass noch immer viel geschehen kann.»

Insbesondere bei einem Strassenrennen zu gewinnen, sei ein sehr schönes Ereignis. «Es ist so taktisch, es kann so viel passieren, nichts ist planbar», erklärt die Zürcherin und zieht den Vergleich mit einem Schachspiel mit vielen Figuren. Doch auch vor dem Rennen hatte Rigling ein gutes Gefühl. «Ich gehe nie an den Start und sage, dass ich gewinne. Aber bei der Besichtigung mit dem Trainer wussten wir, dass die Strecke mir liegt.»

Nach WM-Silber jetzt EM-Gold

Bereits an der WM letzes Jahr in Portugal stand die 26-Jährige zweimal auf dem Podest. Im Zeitfahren gewann Rigling Bronze und im Strassenrennen Silber. Was nun bedeutender ist, sei schwierig zu sagen. «Auch die WM-Medaillen sind sehr wertvoll. Es ist schliesslich nochmal ein grösseres Ereignis.»

Flurina Rigling ist mental definitiv stark. Auf der Strecke kam die erste Steigung sehr schnell und die Zürcherin erwischte einen guten Start. «Wir sind alle gleichzeitig gestartet, am Anfang war es sehr hektisch. Ich wollte einfach am Feld dranbleiben, was mir auch in der ersten grossen Steigung gut gelungen ist.»

Zu Beginn der zweiten Runde bewies die Zürcherin mentale Stärke. Obwohl ihr die Kette herausgesprungen ist, konnte sie die Nerven behalten: «Ich musste das Rad etwas stossen, da ich die Kette nicht selber wieder hereinbrachte. Ein spanischer Trainer am Strassenrand half mir dann, doch das Feld hatte mich bereits wieder eingeholt.» Durch einen Effort am Berg konnte sich Rigling erneut absetzen und fuhr ab dann solo bis ins Ziel.

Keine Zeit zum Feiern

Relativ schnell nach dem Sieg ging es für Rigling und ihr Team zurück in die Schweiz. «Ein bisschen konnten wir im Team schon feiern, zumindest konnten wir den Moment absolut geniessen.» Es gehe aber meist sehr schnell vom einen Ort zum anderen und da bleibe nicht viel Zeit dazwischen.

Jetzt geht es für die Zürcherin ins Engadin ins Höhentrainingslager. Der nächste Wettkampf ist dann am nächsten Wochenende in Köln. «Das ist jedoch etwas Kleineres», meint die Radrennfahrerin. «Der Höhepunkt ist dann im August mit der Strassen-WM in Kanada. Im Oktober findet dann auch die Bahn-WM in Frankreich statt, für die ich mich qualifizieren will.»

Das langfristige Ziel der Zürcher Athletin sind die Paralympics 2024 in Paris. «Im gleichen Jahr ist auch die WM vor quasi vor der Haustüre, da gebe ich alles», ergänzt die 26-Jährige. Denn in zwei Jahren findet die Para-Cycling-Weltmeisterschaft in Zürich statt.

Ambitioniert und vielseitig

Seit ihrer Geburt hat Rigling ein Handicap an beiden Händen und Füssen. Durch das Fehlen von vier Finger- und Fusssträngen ist ihre Griff- und Tretfähigkeit stark eingeschränkt. Die 26-Jährige hat sich davon nicht bremsen lassen und ist zur Top-Athletin im internationalen Radrennzirkus geworden. Sie tritt jeweils in der Kategorie C2 an. Die Klassen C1 bis C5 sind die Kategorien für stehende Rennradfahrerinnen, welche unterschiedliche Grade von Amputationen und andere Einschränkungen an den Gliedmassen haben.

Nebst ihrer Radkarriere studiert die 26-Jährige im Master Politikwissenschaft und geniesst das Studium als Ausgleich. Es sei für sie ausserdem wichtig, diese berufliche Sicherheit zu haben, trotzdem spürt sie die Doppelbelastung. «Es ist eine extreme Herausforderung und das Zeitmanagement ist essentiell.» In der Zukunft sieht Rigling nebst einer Verbands- oder sportpolitischen Tätigkeit auch einen Weg als Trainerin. «Ich würde gerne meine Geschichte und meine Erfahrungen teilen, ich glaube da kann ich viel Wertvolles weitergeben.»

veröffentlicht: 31. Mai 2022 11:32
aktualisiert: 31. Mai 2022 11:32
Quelle: ZüriToday

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