Jetzt wird gevögelt

Wieso Zürcher Vögel derzeit besonders laut zwitschern

· Online seit 11.07.2022, 05:56 Uhr
Die hellen Morgenstunden im Sommer bringen vorübergehend einen natürlichen Wecker mit sich – Vogelgesang. Das Gezwitscher empfinden einige Bewohner als ungewohnt laut, dabei hat es einen einfachen Grund: Sie sind in Paarungslaune.
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Endlich ausschlafen – leider nein! «Es ist ja schön, aber sie wecken mich jedes Mal um vier Uhr am Morgen. Ich habe das Gefühl, dass es mehr geworden ist.» Cloë aus Zürich schläft seit ihrem Umzug Anfang Jahr nicht mehr richtig durch. Aber sind die Vögel wirklich lauter als sonst?

Zwitschern, vögeln, markieren

Vögel sind bei Tagesanbruch am aktivsten, wie Marc Stähli von der Voliere Zürich sagt. «In der Mittagszeit, wenn es am wärmsten ist, machen sie wie viele andere Tiere eine Siesta.» Im Winter werde es leiser um die Vögel, da die meisten in den Süden ziehen oder mit der Futtersuche beschäftigt seien.

Im Frühling und Frühsommer sei zudem Paarungs- und Nistzeit. «Da locken sie mit ihrem Gesang den Partner an und markieren ihr Revier.» Dass der Gesang von Artgenossen gehört werde, sei elementar, denn nur wer einen Partner findet, kann sich auch fortpflanzen. Deshalb muss der auch genug hörbar sein.

Wie einfallsreich und leidenschaftlich die Vogel-Herren balzen, zeigt sich in der Dokumentation «Planet Earth» von BBC.

Gesang der Umgebung anpassen

In den letzten Jahrzehnten ist die Geräuschkulisse insgesamt lauter geworden, wie Martina Schybli von der Vogelwarte Sempach bestätigt. «Dies kann dazu führen, dass Lebewesen ihr Verhalten anpassen müssen. Viele Menschen sprechen beispielsweise auch automatisch lauter, wenn Lärm im Hintergrund ist.»

Auch Vögel können auf Lärm reagieren. Beispielsweise gibt es Hinweise darauf, dass manche Arten ihren Gesang in einer lauten Umgebung verändern, um weiterhin von Artgenossen gehört zu werden. Unter anderem wurde nachgewiesen, dass Kohlmeisen in städtischen Gebieten mit einer höheren Frequenz singen können. «Möglicherweise versuchen sie so, den niederfrequenteren Verkehrslärm zu umgehen», erklärt Schybli.

Zwitschernder Wecker

Cloë ist Anfang Jahr nach Altstetten gezogen und wird jeden Tag vom Gesang geweckt – trotz geschlossenem Fenster. «Zurzeit geben sie etwa von vier Uhr bis sechs Uhr Vollgas.» Danach starte der öffentliche Verkehr und sie höre nichts mehr.

Auch Tim, der gut zehn Jahre im Niederdörfli gelebt hat, ist im Juni Richtung Triemli ins Grüne gezogen. «Es ist so krass. Fenster zu, Ohropax und ich höre die Vögel immer noch!» Nach dem Lärm in der Zürcher Altstadt sei er erstaunt, dass ihm jetzt so ein – eigentlich schönes – Geräusch um den Schlaf bringe.

Ungewohnte Geräusche angewöhnen 

Martina Schybli erstaunt diese Aussagen von Cloë und Tim nicht. «Manchmal nehmen wir gewisse Geräusche plötzlich intensiver wahr, beispielsweise wenn wir in eine neue Umgebung ziehen. Dies gilt für Vogelgezwitscher unter Umständen gleichermassen wie für Verkehrslärm.» Sie ergänzt: «Wenn es ganz ruhig ist, empfinden wir Vogelgesang als lauter oder nehmen ihn eher wahr, als wenn er durch Umgebungsgeräusche wie Musik oder Rasenmäher überlagert wird.»

Der Auskunftsdienst der Schweizerischen Vogelwarte erhalte zwar gelegentlich Anfragen zu störend empfundenen Vogelgeräuschen, insgesamt stellen diese jedoch eine Minderheit dar. «Im Gegenteil erhält unser Auskunftsdienst im Herbst regelmässig Anfragen von Personen, die den Vogelgesang vermissen.»

veröffentlicht: 11. Juli 2022 05:56
aktualisiert: 11. Juli 2022 05:56
Quelle: ZüriToday

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