Arbeit beeinträchtigt

Müssen Chefs den Mitarbeitenden im Winter «stromfrei» geben?

26.08.2022, 13:34 Uhr
· Online seit 26.08.2022, 08:18 Uhr
Von der Gemeindeverwaltung bis zur Bank: Im Fall einer Strommangellage könnte der Betrieb in vielen Firmen nur noch mit Mühe oder nicht mehr aufrechterhalten werden. Reduzierte Arbeitszeiten sind in Bürojobs deshalb möglich.
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Als Ultima Ratio behält sich der Bundesrat im Falle einer Gasmangellage vor, den Verbrauch mit einer Kontingentierung zu reduzieren. Im Falle einer Strom-Mangellage trifft das Worst-Case-Szenario ein: Netzabschaltungen für einige Stunden.

Fast jeder Büroplatz hängt am Strom. Über das Internet wickeln Unternehmen etliche Transaktionen und Geschäfte ab. Das Arbeiten in dieser Form droht in den kälteren Monaten nicht mehr selbstverständlich zu sein.

Sollte es zu Netzabschaltungen kommen, hätten die Sparmassnahmen nicht genügt, sagt Gian Cavigelli, Energieberater Geschäftskunden bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich. Ohne Umschweife stellte er klar: «Wenn es keinen Pfus mehr hat, ist der betriebliche Einfluss für die meisten Firmen extrem gross.»

«Allenfalls wäre Arbeit im Werkhof noch möglich»

Unternehmen bestätigen das Problem. «Wie mir mehrere Gemeindeschreiber bestätigt haben, wäre ein fortwährendes Arbeiten ohne Strom auch in den Gemeindeverwaltungen im heutigen Ausmass und dem gewohnten Standard nicht möglich», sagt Christoph Niederberger, Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbands.

Er begründet dies damit, dass heute praktisch alle Systeme IT-basiert und somit abhängig von der Stromversorgung seien. «Allenfalls wäre noch die Arbeit im Werkhof möglich, wo weniger mit Computern und mehr mit etwa dieselbetriebenen Maschinen gearbeitet wird.»

Niederberger macht darauf aufmerksam, dass sich die Stromabschaltungen mittels Notstromaggregate einiger Gemeinden überbrücken liessen. «Denkbar sind auch Kooperationen, in denen sich zwei Gemeinden, die zum Beispiel dieselben Softwareprogramme benutzen, zur gegenseitigen Unterstützung verpflichten.»

Für KV-Jobs wäre Strom-Stopp «fatal»

Auch der Kaufmännische Verband Schweiz äussert sich besorgt. «Da kaufmännische Betriebe hauptsächlich über Strom und digitale Geräte laufen, wäre ein allfälliger Strom-Stopp und damit das Stilllegen von Unternehmen fatal für die Schweizer Wirtschaft», sagt Christian Zünd, CEO des KV Verbands Schweiz.

Doch was tun Mitarbeitende, die ohne Strom nur noch Däumchen drehen könnten? Sollte es zwischenzeitlich zu Stromunterbrüchen kommen und müsse deswegen die Arbeitszeit angepasst oder gar reduziert werden, appelliere der Verband an die Flexibilität der Arbeitnehmenden und das Entgegenkommen der Arbeitgebenden, sagt Zünd.

Probleme bei der Logistik

Die Schweizerische Post beschäftigt sich schon länger mit einem möglichen Blackout. Bürostandorte hätten einen vergleichsweise geringen Strombedarf, sagt Mediensprecherin Denise Birchler. Trotzdem würden auch dort weitere Massnahmen umgesetzt. «So könnte beispielsweise erneut geprüft werden, wie mit Home-Office umgegangen wird.»

Andere Bereiche der Post würde eine Mangellage härter treffen. «Der Bereich Logistik etwa mit einer zunehmend elektrifizierten Flotte und grossen Sortierzentren, die auf Strom angewiesen sind, würde den Strommangel deutlich spüren», sagt Birchler. Im Bereich der IT beziehungsweise zur Sicherstellung des Betriebs der Rechenzentren bestünden besondere Notfallkonzepte und Sicherheitsmassnahmen.

«Massiv beeinträchtigt»

Laut Birchler könnte die Post bei einer Stromkontingentierung von zehn Prozent einen Grossteil der Leistungen weiterhin erbringen, wenn das Unternehmen vorgängig entsprechende Vorbereitungen treffen kann. «Bei grösseren Kontingentierungen über zehn Prozent bedarf es nach heutigem Wissensstand weiterer Massnahmen wie auch möglicher Einschränkungen im Dienstleistungsangebot.»

Bei einem Blackout oder zyklischen Netzabschaltungen könne die Post heute die Folgen nicht komplett abschätzen, sagt Birchler. Grund dafür sei unter anderem, dass kritische Infrastrukturen wie zum Beispiel die Telekommunikation und der Schienenverkehr in einem solchen Fall wohl nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stünden. «Es ist davon auszugehen, dass das ganze Dienstleistungsangebot der Post massiv beeinträchtigt würde.»

Die Post setzt zunehmend auf Elektrofahrzeuge. Ein möglicher Strommangel würde deren Betrieb gefährden. Birchler: «So könnten etwa zusätzliche Fahrten mit Fahrzeugen, die mit Diesel oder Benzin angetrieben werden, notwendig werden.»

E-Banking noch möglich?

Banken bereiten sich ebenfalls auf das Szenario einer Strommangellage vor. «Im Falle einer Stromkontingentierung könnten wir den Stromverbrauch durch weniger Beleuchtung oder Klimatisierung in unseren Gebäuden oder sogar durch Schliessung von einzelnen Gebäuden oder Gebäudeteilen reduzieren», so eine UBS-Sprecherin.

Weiter könne die UBS auch Einschränkungen aufgrund der Dringlichkeit von einzelnen Dienstleistungen treffen. «Indem zum Beispiel in erster Linie unkritische und nicht dringliche Dienstleistungen eingeschränkt würden.»

Ähnlich klingt es bei Raiffeisen. Unter anderem Dieselaggregate sowie ein entsprechender Treibstoffvorat ermöglichten, relevante Infrastrukturen und Bankprozesse auch während länger andauernden Stromausfällen betreiben zu können, sagt Mediensprecherin Joël Grandchamp.

Die Betreuung von Kundinnen und Kunden sowie die Erreichbarkeit des E-Bankings sei grundsätzlich sichergestellt, sofern externe Anbieter wie zum Beispiel Telekom- und oder Zahlungsverkehrsanbieter ihren Betrieb ebenfalls uneingeschränkt sicherstellen könnten. Wie andere Unternehmen würde Raiffaisen Mitarbeitende ins Homeoffice schicken. «Sofern sie zuhause über Strom und eine Internetverbindung verfügen.»

Appell zum Sparen

Energieberater Gian Cavigelli rät Unternehmen, einen Beitrag zu leisten, dass die Schweiz schon gar nicht in eine Kontingentierungs- oder Abschaltungsphase kommt. Anstatt Geräte in Büros im Standby-Modus laufen zu lassen, sollten diese heruntergefahren werden.

«Dies betrifft nicht nur den PC, sondern auch etwa die Kaffeemaschine.» Bei der Beleuchtung sei sinnvoll, auf LED umzusteigen, die Beleuchtung mit Zeitprogrammen zu steuern und die Leuchtreklamen auszuschalten oder zeitlich zu reduzieren.

Bei Firmen mit grossen Maschinen ist Stromsparen laut Cavigelli schwieriger. «Hat ein Betrieb mehrere Maschinen, könnte die Produktion durch Abschalten einzelner Maschinen reduziert werden.»

veröffentlicht: 26. August 2022 08:18
aktualisiert: 26. August 2022 13:34
Quelle: Today-Zentralredaktion

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