Social-Media-Kommentare

Bundesgericht spricht Facebook-Kontoinhaber von Rassismusvorwürfen frei

· Online seit 13.05.2022, 12:00 Uhr
In Neuenburg wurde ein Facebook-User wegen Rassendiskriminierung beschuldigt, weil rassistische Kommentare seinem Post angefügt wurden. Um das Legalitätsprinzip einzuhalten, weist das Bundesgericht die Beschwerde ab.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Neuenburg beantragte die Verurteilung eines Facebook-Kontoinhabers wegen Rassendiskriminierung. Grund dafür waren rassistische Kommentare, die auf seiner Pinnwand gepostet wurden. Da der Inhaber des Facebook-Kontos von den fraglichen Beiträgen keine Kenntnis hatte, ist seine strafrechtliche Verantwortlichkeit ausgeschlossen. Das Bundesgericht weist nämlich die Beschwerde mangels spezifischer Rechtsgrundlage ab.

Geposteter Zeitungsartikel führte zu unschönen Kommentaren

Eine politisch aktive Persönlichkeit hatte auf ihrem öffentlichen Facebook-Profil einen Zeitungsartikel veröffentlicht, der zu unangemessenen Kommentaren auf der Pinnwand des Kontos führte. Eine Vereinigung erhob deshalb Anzeige. Die Polizei konnte die Urheber der Beiträge identifizieren und bestrafte sie wegen Rassendiskriminierung.

Der Inhaber des Facebook-Kontos wurde von diesem Vorwurf vom Polizeigericht der zuständigen Bezirke freigesprochen. Das neuenburgische Kantonsgericht befürwortete diesen Freispruch im vergangenen Jahr. Die Neuenburger Staatsanwaltschaft hingegen wandte sich ans Bundesgericht.

Ist «nicht löschen» strafbar?

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und bestätigt den Entscheid des Kantonsgerichts. Das Verfahren dreht sich um die Frage, ob sich der Inhaber wegen Rassendiskriminierung strafbar macht, weil er die Kommentare nicht gelöscht hatte, mit denen zu Hass und Gewalt gegenüber einer religiösen Personengruppe aufgerufen wurde.

Das geltende Schweizer Recht enthält keine Norm, die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Internetdienstleistern wie Facebook oder der Nutzer dieser Netzwerke regelt. Trotzdem machte die Staatsanwaltschaft geltend, dass sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Kontoinhabers aus den bestehenden Grundsätzen des Strafrechts ergebe.

Facebook als Plattform für politische Diskussionen

Das Bundesgericht hat festgestellt, dass der Betroffene seine Facebook-Seite als Diskussionsforum betreibt. Auf seiner Pinnwand hat er heikle politische Themen angesprochen, die ein Risiko für die Hinterlegung rechtswidriger Beiträge schafften. Diese Gefahr übersteigt das, was gesellschaftlich erlaubt ist aber nur dann, wenn der Betroffene Kenntnis vom Inhalt der problematischen Inhalte hatte, die seiner Pinnwand hinzugefügt wurden.

Bis zur Eröffnung des Strafverfahrens wusste der Kontoinhaber scheinbar nicht, dass dort rechtswidrige Inhalte zu finden waren. Ihm kann ausserdem nicht vorgeworfen werden, in strafbarer Weise pflichtwidrig untätig geblieben zu sein. Da keine gesetzliche Norm eine entsprechende Überwachungspflicht ausdrücklich vorsieht, würde das Legalitätsprinzip «keine Strafe ohne Gesetz» verletzt.

(hap)

veröffentlicht: 13. Mai 2022 12:00
aktualisiert: 13. Mai 2022 12:00
Quelle: Today-Zentralredaktion

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