Verrückte Statistik

350 Stunden Stau – der Gotthard war noch nie so überlastet

12.08.2022, 10:28 Uhr
· Online seit 12.08.2022, 09:21 Uhr
Im Juli wurden Autofahrende am Gotthardstrassentunnel besonders auf die Geduldsprobe gestellt. Insgesamt 350 Stunden lang herrschte Stau. Ein Experte bemängelt, dass das Strassennetz schlicht nicht für die Urlaubszeit ausgelegt sei.
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Diesen Sommer wurde der mit 16,9 Kilometer viertlängste Strassentunnel der Welt, der Gotthard, besonders oft befahren. Gleich schon «dramatisch» nennt der «Tages-Anzeiger» die Situation während des Reisemonats Juli. Laut der Urner Kantonspolizei habe der Tunnel in dieser Zeitspanne 36-mal vollständig gesperrt werden müssen. Zudem wurden 57 Pannen registriert.

Vor der Pandemie gabs weniger Stau

Wirklich aufhorchen lässt aber eine andere Zahl: Durch die Pannen und anderen Zwischenfälle in und vor dem Tunnel sei es im Juli zu besonders viel Stau gekommen. «Wir verzeichneten im Juli insgesamt rund 350 Stunden Stau auf der Autobahn, das ist ein neuer Rekord», wird der Urner Polizeikommandant Thorsten Imhof im «Tages-Anzeiger» zitiert.

Zum Vergleich: Im Juli 2019, also vor dem Ausbruch der Pandemie, sind «nur» 265 Stunden gemessen worden. In den Jahren zuvor seien die Staustunden auf der Nord- und der Südrampe mehr oder weniger kontinuierlich gestiegen.

Verkehr hat grundsätzlich nicht stark zugenommen

Nach dem massiven Stau am Karfreitag mit bis zu 22 Kilometern Länge kam es diesen Sommer zu zwei weiteren ausserordentlichen Staus von je rund 20 Kilometern. Besonders beunruhigend war der Stau allerdings schon im Vormonat, konkret am 4. Juni: Der Verkehr kam ohne besondere Vorkommnisse zum Erliegen. Der Stau sei allein durch ein sehr hohes Verkehrsaufkommen Richtung Süden ausgelöst worden, so Imhof.

Eine wirkliche Erklärung für die Zunahme der Staustunden hat weder die Urner Kantonspolizei noch das Bundesamt für Strassen (Astra). Zumal das Verkehrsaufkommen im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie eigentlich nur bescheiden zugenommen hat: Laut Daten des Astra fuhren im Juli 2019 insgesamt 754’644 Fahrzeuge durch den Gotthard, im Juli dieses Jahres waren es 810’903.

Strassennetz ist in Ferienzeiten überfordert

Wahrscheinlich sei die Kapazitätsgrenze dieser Strasseninfrastruktur erreicht, vermutet Dirk Helbing, Professor an der ETH Zürich und Stauforscher: Beim Reiseverkehr vor dem Gotthard komme es oft zu einem sogenannten homogenen Stau. Dabei sind die Geschwindigkeitsunterschiede der einzelnen Fahrzeuge gering und die Kolonne bewegt sich ähnlich wie ein Fischschwarm in gleichmässigem Tempo.

Ein solcher Stau entstehe am Gotthard, weil die Kapazität des Strassennetzes schlicht nicht für die Ferienzeit ausgelegt sei, sagt Helbing gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «Kommt dann noch ein Ereignis wie ein Unfall oder eine Panne dazu, kann die Wartezeit ätzend lang werden.»

(mhe)

veröffentlicht: 12. August 2022 09:21
aktualisiert: 12. August 2022 10:28
Quelle: Today-Zentralredaktion

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